Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Krankenversicherung. Pflegeversicherung. Beitragsbemessung. Betreuung und Erziehung von Kindern. Unterhaltslast. keine Minderung der Beitragsbelastung bzw Befreiung von der Beitragspflicht. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, bei der Berechnung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung von unterhaltspflichtigen Eltern die durchschnittlichen Unterhaltskosten für Kinder vom Beitragsbemessungsentgelt abzuziehen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.05.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Beitragsberechnung im Bereich der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung aus verfassungsrechtlichen Gründen die durchschnittlichen Unterhaltskosten für Kinder vom Beitragsbemessungsentgelt abzuziehen sind.
Die Kläger sind miteinander verheiratet und Eltern der drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder. Die 1966 geborene Klägerin ist als Verwaltungsangestellte mit einem Umfang von 12 Wochenstunden seit 01.05.2003 beim Beigeladenen zu 3) versicherungspflichtig beschäftigt. Der 1965 geborene Kläger arbeitet beim Beigeladenen zu 3) versicherungspflichtig in Vollzeit als Bildungsreferent in der Eingruppierung nach BAT III mit Vergütungsgruppenzulage. Alle Kinder befinden sich noch in Ausbildung. Für diese bezogen die Kläger jeweils Kindergeld in gesetzlicher Höhe.
Am 06.07.2006 beantragten die Kläger (jeweils mit getrennten Schreiben) bei der Beklagten den Unterhalt für die drei Kinder und die Erziehungs- und Betreuungsleistungen bei der Beitragserhebung zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Die Erfüllung dieser Aufgaben mindere ihre Leistungsfähigkeit und sei als Beitragsäquivalent zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsgerichtsurteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94) nicht ausreichend bzw nicht verfassungsgemäß umgesetzt. Zur weiteren Begründung legten sie Artikel aus der Zeitung „D. Praxis + Recht 4/2004“ vor. Mit Bescheiden vom 20.07.2006 lehnte die Beklagte die Anträge der Kläger mit der Begründung ab, durch das Kinderberücksichtigungsgesetz (KiBG) sei der Gleichheitsgrundsatz im Bereich der Pflegeversicherung gewahrt. Für den Bereich der Kranken- und Rentenversicherung gebe es keine vergleichbare Regelung. Hier seien die Rechtsvorschriften zum Beitragssatz anzuwenden. Daher bestehe im Moment keine Rechtsgrundlage zur Beitragsreduzierung in der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung.
Hiergegen haben die Kläger (jeweils getrennt) am 21.08.2006 Widerspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe darauf hingewiesen, dass seine Entscheidung zur Pflegeversicherung auch für andere Zweige der Sozialversicherung von Bedeutung sein könne. Der Gesetzgeber habe hingegen die unsolidarischen Verteilungswirkungen sogar noch verschärft und lediglich in der Pflegeversicherung einen geringen Zusatzbeitrag für Kinderlose eingeführt. Es liege weiterhin eine verfassungswidrige Benachteiligung von Eltern auf der Beitragsseite vor. Demgegenüber stünden systemspezifische Vorteile für Kinderlose, die nicht gerechtfertigt seien. Die intergenerationelle Verteilungsgerechtigkeit werde gebrochen und ein intertemporaler Ausgleich finde nicht statt. Mit Widerspruchsbescheiden vom 16.05.2007 hat der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche der Kläger zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, in der Krankenversicherung sei die begehrte Beitragsreduzierung mangels gesetzlicher Regelung nicht vorgesehen und daher nicht möglich. Der Gesetzgeber habe das Urteil des BVerfG vom 03.04.2001 umgesetzt, so dass eine Beitragsreduzierung im Bereich der Pflegeversicherung ausscheide. Im Bereich der Rentenversicherung scheide nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ebenfalls eine Beitragsreduzierung aus (Bezugnahme auf Urteil vom 05.07.2006, B 12 KR 20/04 R).
Gegen die Widerspruchsbescheide haben die Kläger am 14.06.2007 gemeinsam Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen vorgetragen, im Jahr 2006 hätten sie zusammen insgesamt 60.345,30 € brutto verdient. Netto verfügbar sei ein Betrag von 41.586,20 € gewesen. Dem stehe ein Betrag des steuerrechtlichen Existenzminimums in Höhe von insgesamt 32.752,-- € gegenüber. Ihre fünfköp...