Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs 3 BKGG idF vom 21.12.1993
Orientierungssatz
Die Regelung des § 1 Abs 3 BKGG idF des SKWPG 1 vom 21.12.1993 verstößt jedenfalls insoweit nicht gegen die Verfassung, als mit der Neuregelung der Kindergeldanspruch auf solche Ausländer begrenzt wird, von denen zu erwarten ist, daß sie auf Dauer in Deutschland bleiben.
Tatbestand
Die Klägerin beansprucht noch Kindergeld für die Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1995.
Die 1970 geborene Klägerin ist libanesische Staatsangehörige; sie hält sich seit 15.09.1985 im Bundesgebiet auf. Sie war bis April 1993 berufstätig. Am 27.06.1993 wurde ihr Sohn A., am 22.06.1994 ihre Tochter Z. geboren. Ab September 1993 bis einschließlich Oktober 1995 lebten die Klägerin und ihre Familie ausschließlich von Sozialhilfe. Ausweislich eines Arbeitsvertrages vom 17.11.1995 war die Klägerin ab 17.10.1995 als Dolmetscherin beschäftigt. Nach ihrer Lohnsteuerkarte 1995 wurde für dieses Jahr aufgrund einer Beschäftigung vom 01.11. bis 31.12. Lohnsteuer in Höhe von insgesamt 13,66 DM (Bruttoarbeitslohn: 4.489,02 DM) abgeführt.
Am 16.07.1993 beantragte die Klägerin, die damals im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis war, die Gewährung von Kindergeld. Mit Bescheid vom 07.02.1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin Kindergeld und Kindergeldzuschlag für Ahmad für die Zeit von Juli bis einschließlich Dezember 1993; diese Leistungen wurden dem Sozialamt der Stadt S. ausbezahlt. In ihrem Bescheid führte die Beklagte weiter aus, für die Zeit ab Januar 1994 hänge aufgrund einer Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) der Kindergeldanspruch bei ausländischen Staatsangehörigen davon ab, daß sie eine gültige Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis besitzen. Die Bewilligung des Kindergeldes müsse daher mit Ablauf des Monats Dezember 1993 aufgehoben werden. Hiergegen erhob die Klägerin am 08.03.1994 Widerspruch und machte bezugnehmend auf ihre gegen die Landeskreditbank auf Gewährung von Erziehungsgeld gerichtete Klage geltend, die Aufenthaltsbefugnis belege in aller Regel einen langfristigen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Mit Bescheid vom 31.03.1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie stellte klar, daß mit Bescheid vom 07.02.1994 Kindergeld lediglich befristet bewilligt und ab Januar 1994 nach § 1 Abs. 3 BKGG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung abgelehnt worden sei, weil die Klägerin lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.05.1994 Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben und vorgetragen, sie befinde sich seit über acht Jahren im Bundesgebiet. Aus der rechtlichen Systematik sowie der Praxis ergebe sich, daß der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis durchaus einen Daueraufenthalt dokumentiere. Das in § 1 Abs. 3 BKGG postulierte Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis sei zur Konkretisierung des gewöhnlichen Aufenthalts als Leistungsvoraussetzung ungeeignet und willkürlich. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe in ihrem Fall allein entgegen, daß sie infolge der Geburt ihrer Kinder nicht erwerbstätig sein könne.
Das SG hat durch Urteil vom 26.07.1995 die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 BKGG in der seit 01.01.1994 geltenden Fassung durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21.12.1993 (BGBl. I 2353; 1994, 72). Die Klägerin sei lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Der eindeutige und unmißverständliche Wortlaut des § 1 Abs. 3 BKGG eröffne auch keine Ermessensentscheidung zugunsten von Ausländern, die nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung und Aufenthaltserlaubnis seien. Die Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Allein bei den Ausländern, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis seien, sei zu erwarten, daß sie auf Dauer in Deutschland bleiben würden. Von einer willkürlichen, d. h. objektiv unangemessenen Differenzierung zwischen Ausländern mit einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis und anderen Ausländern könne angesichts der Zielsetzung des § 1 Abs. 3 BKGG nicht gesprochen werden. Der Gesetzgeber habe sich im Hinblick auf den Zweck des Kindergeldes im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben gehalten. Wenn das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 22.02.1995 (SozR 3-7833 § 1 Nr. 14) selbst ein rechtskräftiges Urteil auf Anerkennung der Asylberechtigung den Aufenthaltstiteln nicht gleichgestellt habe, welche in § 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes - § 1 Abs. 3 BKGG entsprechend - genannt werden, müsse das erst recht für den vorliegenden Fall gelten. Die Klägerin sei als Asylberechtigte nicht anerkannt. Das BSG habe in der genannten Entscheidung weder einen Verstoß gegen Art. 24 der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (BGBl. II 1953, 559) noch gegen Art. 2 i.V.m. Art. 1 Buchst. d und Art. 3 un...