Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdrentenrecht. Verfassungsmäßigkeit der Entgeltpunktekürzung durch das WFG

 

Orientierungssatz

Die Vervielfältigung der Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 nach § 22 Abs 4 FRG idF des WFG vom 25.9.1996 und die Übergangsvorschrift des Art 6 § 4c FANG idF des WFG vom 25.9.1996 sind mit dem GG vereinbar (Anschluss an BSG vom 1.12.1999 - B 5 RJ 26/98 R = BSGE 85, 161 = SozR 3-5050 § 22 Nr 7 und vom 1.12.1999 - B 5 RJ 24/98 R).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.10.2009; Aktenzeichen B 5 R 38/08 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ohne Kürzung bzgl. der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannten Entgeltpunkte hat.

Der ... 1943 geborene Kläger, Inhaber des Vertriebenenausweises A, war vor seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland (9. August 1984) in Rumänien nach seiner Schul- und Hochschulausbildung sowie seinem Wehrdienst vom 16. Februar 1967 bis 15. Juli 1984 versicherungspflichtig beschäftigt.

Mit Bescheid vom 13. August 1985 anerkannte die Beklagte die Zeit vom 16. Februar 1967 bis 15. Juli 1984 als Beitragszeit nach § 15 FRG ohne Kürzung unter Zuordnung zur Rentenversicherung der Angestellten und merkte die Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung im Zeitraum vom 23. August 1959 bis 22. Juni 1966 als Ausfallzeittatsache vor. Die Zeit des Wehrdienstes erkannte sie als Ersatzzeit nicht an. Auf den erfolglosen Widerspruch erreichte der Kläger im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG, Az. S 5 An 296/96, Urteil vom 20. Oktober 1986) die Zuordnung eines Teils der anerkannten Zeiten zu einer höheren Leistungsgruppe.

Auf seinen Rentenantrag vom September 2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21. November 2000 ab 26. Juli 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit einem anfänglichen Nettozahlbetrag von 2.193,29 DM. Bei der Rentenberechnung vervielfältigte sie in Anwendung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (WFG) und des dadurch eingefügten § 22 Abs. 4 FRG die nach dem FRG berücksichtigten Entgelte mit dem Faktor 0,6.

Dagegen erhob der Kläger am 13. Dezember 2000 Widerspruch. Zwar habe der Gesetzgeber die vorgenommene Kürzung ausdrücklich angeordnet, doch halte er die Regelung u.a. wegen Verstoßes gegen das Gebot des Vertrauensschutzes für verfassungswidrig und werde dazu im Verfahren vor dem Sozialgericht Näheres vortragen. Er bitte um eine Vergleichsberechnung, in welcher Höhe ihm Rente ohne die Kürzung zustünde.

Nach der hierauf dem Kläger am 22. Januar 2001 erstellten Proberechnung hätte sich ohne die vorgenommene Kürzung ab 1. März 2001 ein monatlicher Zahlbetrag von 2.664,15 DM ergeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. November 2000 zurück. Nach § 22 Abs. 4 FRG seien die Entgeltpunkte (EPe) für die nach dem FRG anerkannten Zeiten auf 60% abzusenken. Der Gesetzgeber habe die Regelung zum 1. August 1991 durch das Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) als § 22 Abs. 3 FRG eingefügt und seit 1. Januar 1992 als § 22 Abs. 4 FRG im Wesentlichen unverändert fortgeführt. Mit ihr habe er das im FRG enthaltene Eingliederungsprinzip geändert. Die nach dem FRG Berechtigten erhielten Leistungen nicht mehr nach dem auf Durchschnittsverdiensten beruhenden Tabellenwerten, sondern nur noch einen bestimmten Anteil hiervon. Damit werde die Eingliederung in strukturschwache Gebiete des Bundesgebietes simuliert, um den unterschiedlichen Lebensbedingungen im Bundesgebiet Rechnung zu tragen und eine Gleichbehandlung mit einheimischen Versicherten in strukturschwachen Gebieten zu erreichen. Mit der rückwirkenden Änderung der Vorschrift zum 7. Mai 1996 durch das WFG habe der Gesetzgeber dieses Prinzip fortgesetzt und den Umfang der Absenkung verstärkt. Danach seien bei den nach dem FRG Berechtigten von den Tabellenwerten nur noch 60% anzurechnen. Eine Ausnahme nach Art. 6 § 4 Abs. 5 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) oder nach Art. 6 § 4c FANG liege nicht vor, da der Kläger weder anspruchsberechtigt nach dem alten deutsch-polnischen Rentenabkommen vom 9. Oktober 1975 sei, noch der Rentenbeginn vor dem 1. Oktober 1996 liege.

Deswegen erhob der Kläger am 10. Januar 2002 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG), mit welcher er die Abänderung des Bescheides vom 21. November 2000 "in der Gestalt des Bescheides vom 22.01.2001" und des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2001 unter ungekürzter Berücksichtigung der EPe für die nach dem FRG anerkannten Zeiten erstrebte, hilfsweise eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage nach Art. 100 Grundgesetz (GG) an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Bestimmungen der §§ 22 Abs. 4 des FRG und 4 Abs. 5 FANG i. d. F. des WFG vom 7. Mai 1996 seien verfassungswidrig. Insbesondere sei er in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, nach Art. 20 Abs. 3 GG und aus Art. 14 GG verletzt....

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