Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. arbeitstechnische Voraussetzung. Heben und Tragen schwerer Lasten. Mainz-Dortmunder-Dosismodell. Druckkraftschwelle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Begriff der “schweren Last„ iS der BKV Anl Nr 2108 ist entsprechend dem aktuellen Stand der Wissenschaft in Abhängigkeit von der Art der Lastenmanipulation zu bestimmen, sodass für die unterschiedlichen Arten der Lastenmanipulation (zB Heben einerseits, Tragen andererseits) auch unterschiedliche Gewichte anzusetzen sind. Es darf somit gerade nicht auf eine als schwer angesehene Last von 20 kg für alle Hebe- und Tragearten abgestellt werden (Abweichung von BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R = ASR 2008, 152).

2. Bei Anwendung des Mainz-Dortmunder-Dosismodells muss zur Umsetzung der arbeitstechnischen Voraussetzung “schwere Last„ deshalb eine Druckkraftschwelle festgelegt werden.

3. Das beidhändige Heben von 12,5 kg schweren Gegenständen unterfällt nicht dem Anwendungsbereich der BKV Anl Nr 2108.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.01.2010; Aktenzeichen B 2 U 33/08 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.10.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt wegen einer von ihm behaupteten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 bzw. 2109 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - nachfolgend BK 2108 bzw. 2109 - Übergangsleistungen nach § 3 BKV.

Der am … 1953 geborene Kläger, der unter anderem an Beschwerden im Bereich der gesamten Wirbelsäule leidet, arbeitete von Mai 1976 bis September 1999 bei der Firma S. H. GmbH (SHW) in der Schleiferei und Dreherei. Er bearbeitete an verschiedenen Maschinen Bremsscheiben mit unterschiedlichen Gewichten. In der Zeit von Mai bis Oktober 1976, Juni 1990 bis Oktober 1995 und Mai 1996 bis September 1996 lag das Gewicht zwischen 7 kg und 10 kg, in der Zeit von November 1976 bis März 1978 und März 1982 bis Mai 1990 (9 Jahre 8 Monate) lag es zwischen 10 kg und 12 kg und in der Zeit von April 1978 bis Februar 1982 sowie November 1995 bis April 1996 (4 Jahre 5 Monate) lag es bei 12,5 kg. Die Scheiben hatte er von der Palette bzw. aus der Box zu entnehmen, in die Maschine einzulegen, dort nach Bearbeitung wieder zu entnehmen und auf die Palette bzw. in die Box abzulegen. Die bearbeitete Anzahl pro Schicht (bis 1979/80 teilweise zehn Stunden, ansonsten acht Stunden) lag bei 1000 Stück bei Scheiben mit 7 kg und bei höheren Gewichten zwischen 200 und 500 Stück, bei Zehnstundenschichten bei bis zu 563. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die, auf entsprechenden umfangreichen Ermittlungen in der Firma SHW beruhende, Zusammenstellung des Dipl.-Ing. G., Präventionsdienst der Beklagten, vom 29.06.2004 (Bl. 124 ff. der Verwaltungsakte) verwiesen.

Im April 2001 wandte sich der Kläger wegen seiner, von ihm auf die Hebetätigkeiten bei der Firma SHW zurückgeführten Beschwerden seitens der Halswirbelsäule, Brust- und Lendenwirbelsäule an die Beklagte. Mit Bescheid vom 27.11.2001 / Widerspruchsbescheid vom 10.04.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2108 und 2109 ab. Der hiergegen und auf Feststellung einer solchen BK gerichtete Rechtsstreit blieb erfolglos, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2108 ausgehend von einer erforderlichen BK-relevanten Druckkraft von mehr als 3200 Newton (N) nicht vorgelegen hätten und Tätigkeiten für die Annahme einer BK 2109 nicht ausgeübt worden seien (Urteil des Senats vom 26.01.2006, L 10 U 4236/04). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere zu der entsprechenden Beweiswürdigung des Senats wird auf das genannte Urteil verwiesen.

Noch während des Rechtsstreits beantragte der Kläger Übergangsleistungen im Hinblick auf eine BK 2108 bzw. 2109, was die Beklagte mit Bescheid vom 02.08.2004 und Widerspruchsbescheid vom 05.01.2005 sowie der Begründung ablehnte, der Kläger sei keiner wirbelsäulengefährdenden Tätigkeit ausgesetzt gewesen, sodass auch die Entstehung einer Berufskrankheit nicht gedroht habe.

Das hiergegen am 03.02.2005 angerufene Sozialgericht Reutlingen hat die Klage mit dem Kläger am 30.10.2006 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 23.10.2006 abgewiesen. Mit seiner hiergegen am 29.11.2006 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, für Übergangsleistungen müsse noch keine BK vorliegen und nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien die Werte des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) zu reduzieren, insbesondere dürfe nicht mehr auf eine Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang von 3200 N abgestellt werden. Er legt entsprechende Berechnungen vor, wonach die vom BSG neuerdings zu Grunde gelegten Grenzwerte erfüllt seien.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.10.2006 und den Bescheid vom 02.08.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2005 aufzuhebe...

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