Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Arztpraxis mit angestellten Ärzten. keine rückwirkende Erhöhung des Gesamtpunktzahlvolumens

 

Orientierungssatz

Die Erhöhung des Gesamtpunktzahlvolumens kann für eine Gemeinschaftspraxis mit angestellten Ärzten auch bei Änderungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (juris: EBM-Ä) oder vertraglicher Vereinbarungen nicht rückwirkend erfolgen, da die Zulassung des Anstellungsverhältnisses einschließlich der Festsetzung der Punktzahlobergrenze einen statusbegründenden Verwaltungsakt darstellt, der keine Rückwirkung entfaltet.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.08.2013; Aktenzeichen B 6 KA 36/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30.06.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 2 bis 7, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 52.105,72 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Fachärzte für Innere Medizin, der Kläger zu 1 ist als solcher zur hausärztlichen Versorgung vertragsärztlich zugelassen, der Kläger zu 2 ist als fachärztlich tätiger Internist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie begehren die rückwirkende Erhöhung der quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina für ihre Gemeinschaftspraxis ab dem 01.04.2005.

Mit Bescheid des Zulassungsausschusses vom 27.08.1999 wurde der Gemeinschaftspraxis der Kläger die Genehmigung zur Ganztagsanstellung der Fachärztin für Innere Medizin Dr. D. gemäß § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in i.V.m. den Angestellte-Ärzte-Richtlinien (AÄRL) nach § 32b Ärzte-ZV erteilt. Als Obergrenzen wurden (ausweislich der Angaben im Widerspruchsbescheid) damals folgende quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina festgelegt:

  2.857.108,0 Punkte für das I. Quartal

  2.624.257,3 Punkte für das II. Quartal

  2.985.079,9 Punkte für das III. Quartal

  3.085.633,7 Punkte für das IV. Quartal

(11.552.078,9 Punkte gesamt).

Diese Obergrenzen wurden in der Folge anhand der Anpassungsfaktoren nach Ziff. 3.4 Angestellte-Ärzte Richtlinien um rund 700.000 Punkte und wegen der Steigerungen der Gebührennummern für Koloskopien ab dem Quartal 2/05 um 324.581,0 Punkte pro Quartal erhöht.

Die Kläger erzielten in den Quartalen 2/04 bis einschließlich 1/05 Umsätze von insgesamt 614.764 € bei Fallwerten zwischen 67,19 € und 73,85 €, für die Quartale 2/05 bis 1/06 belief sich der Gesamtumsatz aus vertragsärztlicher Tätigkeit auf 702.596 € bei Fallwerten von 70,40 € bis 76,82 €.

Mit Rückforderungsbescheid vom 27.10.2006 forderte die Beigeladene Ziff. 1 von den Klägern wegen Überschreitung der Gesamtpunktzahlvolumina in den Quartalen 1/05 bis IV/05 26.052,86 € zurück. Die Berechnung dieses Betrages erfolgte - jeweils quartalsbezogen - anhand der nach Ziff. 3.4 der Angestellten-Ärzte-Richtlinie vom 01.10.1997 (in der zuletzt am 22.10.2001 geänderten Fassung - BAnZ v. 30.01.2002) ermittelten Anpassungsfaktoren, mit Hilfe derer, ausgehend von dem Punktzahlvolumendurchschnitt der Fachgruppe, die Punktzahlobergrenzen für die Praxis der Kläger errechnet wurden. Diese wurden von den Klägern in den Quartalen 01/05 bis 04/05 jeweils überschritten. Im Einzelnen stellen sich diese Beträge wie folgt dar (Angaben aus dem Rückforderungsbescheid):

Quartal

Punktzahldurch-

schnitt der

Fachgruppe-

Anpassungs-

faktor

errechnete Punktzahlober-

grenze

angeforderte

Punktzahl

Differenz

01/2005

  1.416.932,5

  2,24028

  3.181.689,0

  3.332.678,1

  150.989,1

02/2005

  1.516.293.2

  2,16099

  3.276.694,4

  4.226.565,0

  949.870,6

03/2005

  1.364.193,4

  2,57279

  3.509.783,1

  3.916.951,0

  407.167,9

04/2005

  1.474.143,1

  2,52480

  3.721.916,5

  4.300.528,7

  576.612,2

Gesamt:

 13.690.083,0

 15.776.722,8

2.084.639,8

Nach erfolglosem Widerspruch erhoben die Kläger gegen den Rückforderungsbescheid Klage beim Sozialgericht Stuttgart (S 5 KA 3221/07). Das Klageverfahren ruht derzeit im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit.

Am 07.11.2006 beantragten die Kläger beim Zulassungsausschuss für Ärzte die Neufestsetzung der Punktzahlobergrenzen in Bezug auf die Job-Sharing-Anstellung von Dr. D. rückwirkend zum 01.04.2005 auf 17.161.162,0 Punkte p.a. Zur Begründung führten sie aus, bis zum Inkrafttreten des EBM 2000plus ab 01.04.2005 hätten sie die festgesetzten Punktzahlobergrenzen nicht überschritten. Erst mit Inkrafttreten des EBM 2000plus hätten sie die Punktzahlobergrenzen um 2.086.639,8 Punkte überschritten und deshalb einen Rückforderungsbescheid über 26.052,86 € erhalten. Bei gleichbleibender Scheinzahl sei der Anstieg ihres Gesamtpunktzahlvolumens vorwiegend auf die strukturellen Änderungen in der neuen Gebührenordnung zurückzuführen.

Mit Bescheid des Zulassungsausschusses vom 07.12.2006 wurde die Genehmigung zur Beschäftigung von Frau Dr. D. als ganztags angestellte Ärztin in der Praxis der Kläger zum 01.01.2007 widerrufen. Frau Dr. D. erhielt eine Zulassung in eigener Praxis.

Die ...

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