Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Drittanfechtungsklage. Klagebefugnis. Vertrauensschutz. Verwirkung

 

Orientierungssatz

1. Eine Rechtsverletzung ist möglich und eine Klagebefugnis damit gegeben, wenn ein gegenüber einem Dritten ergangener Verwaltungsakt zumindest mittelbar eigene rechtliche Interessen des Klägers betrifft.

2. Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde, vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 - 5 RJ 52/94.

 

Tenor

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht der Sache nach die Frage, ob der Beigeladene zu 1) und Berufungskläger zu 1) (nachfolgend nur noch: “der Beigeladene„) im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) und Berufungsklägerin zu 2) (nachfolgend nur noch: “die Beigeladene„) in abhängiger Beschäftigung ab dem 1. Juli 2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist.

Der Beigeladene ist seit diesem Tag Mitglied der Beklagten. Zuvor war er bei der DAK versichert.

Am 1. April 2004 beantragte er bei der Beklagten die Mitgliedschaft. Er übersandte zugleich einen “Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung„. Die Beklagte gelangte nach Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis, dass er seit dem 24. November 1997 in keinem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis mehr stehe. Dieses Ergebnis teilte sie unter anderem der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als damaligem Rentenversicherungsträger und Rechtsvorgängerin der jetzigen Klägerin (nachfolgend nur noch “die Klägerin„) mit Schreiben vom 19. April 2004 mit. Diese antwortete mit Schreiben vom 27. Mai 2004, ihrer Auffassung nach unterliege der Beigeladene als Fremdgeschäftsführer der Versicherungspflicht.

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 3. Juni 2004 - gerichtet an den Beigeladenen - stellte die Beklagte fest, dass dieser in seiner Beschäftigung für die Beigeladene selbständig tätig sei. Eine Rechtsmittelbelehrung war dem Bescheid nicht beigefügt. Er war (nur) an den Beigeladenen adressiert. Dieser erhob zunächst Widerspruch. Die Beklagte teilte ihm daraufhin mit Schreiben vom 1. Juli 2004 mit, aus den eingereichten Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass er aufgrund seiner Vorstandseigenschaft beim einzigen Gesellschafter der Beigeladenen sich selbst Weisungen erteilen könnte, so dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden könne.

Der Beigeladene nahm daraufhin seinen Widerspruch zurück. Er schloss zur Altersvorsorge mit Versicherungsbeginn 1. Dezember 2004 eine Rentenversicherung zu einem Beitrag von 300,- Euro monatlich (bei der S Versicherung), eine fondsgebundene Rentenversicherung mit demselben Versicherungsbeginn und demselben monatlichen Beitrag (bei der A) sowie eine Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit Versicherungsbeginn 1. Juni 2005 und einem zu Beginn zu zahlenden Monatsbeitrag von 193,79 Euro (U) ab.

Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 26. Juli 2005 mit, ihren Rechtsstandpunkt beizubehalten. Den bereits ergangenen Bescheid erwähnte sie dabei nicht. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 1. September 2005 und bat “erneut, Ihren Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2004 aufzuheben und dies auch der DAK mitzuteilen„.

Der Beigeladene schrieb am 27. September 2005 an die Beklagte, mittlerweile habe er sich auf die Einstufung als Selbständiger eingestellt. Die abgeschlossenen privaten Versicherungen könnten nur mit hohen Verlusten rückabgewickelt werden. Der Einschätzung der Beklagten habe sich auch die DAK angeschlossen. Die Beklagte nahm dies zum Anlass, der Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2005 mitzuteilen, ihren Bescheid vom 3. Juni 2004 mittlerweile als einen rechtswidrigen begünstigen Verwaltungsakt nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) anzusehen. Eine Aufhebung dieses Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit und auch für die Zukunft könne aufgrund des Vertrauens, welches der Beigeladene in die getroffenen Vermögensdispositionen genieße, nicht vorgenommen werden.

Die Klägerin erhielt am 27. Dezember 2004 von der DAK unter anderem den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2004 übersandt. Bei den ihr übersandten Unterlagen handelte es sich um einen Antrag auf Beitragserstattung, welche die Beigeladenen bei der DAK für den Zeitraum bis 30. Juni 2004 eingereicht hatten. D...

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