Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Versagung einer Zulassung. Fortbestehen der Ermächtigung mit dem Ziel der Nachqualifikation bis zur bestandskräftigen Entscheidung über Umwandlung der Ermächtigung in bedarfsunabhängige Zulassung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Fall der Versagung einer Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung.
2. Mit Blick auf das Recht der Psychotherapeuten auf Freiheit der Berufswahl und -ausübung aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) sowie das Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art 19 Abs 4 GG ist § 95 Abs 11 S 5 letzter Halbsatz SGB 5 dahin auszulegen, dass die Ermächtigung mit dem Ziel der Nachqualifikation bis zur bestandkräftigen Entscheidung der Zulassungsgremien (Zulassungs- und Berufungsausschuss) über die Umwandlung der Ermächtigung in eine bedarfsunabhängige Zulassung fortbesteht (aA LSG Essen vom 23.1.2008 - L 11 KA 103/06).
Orientierungssatz
Auch mit Blick auf den Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG ist es nicht zu rechtfertigen, dass die Säumnis eines Zulassungsausschusses, rechtzeitig innerhalb der Fünfjahresfrist zu entscheiden, zu einer rechtserhaltenden Verlängerung der Ermächtigung führt, während diese Wirkung bei einer rechtswidrigen Entscheidung eines Zulassungsausschusses nicht eintreten soll.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2011 geändert: Es wird im Wege einstweiliger Anordnung festgestellt, dass die dem Antragsteller vom Antragsgegner mit Beschluss vom 11. Januar 2006 erteilte Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung nach § 95 Abs. 11 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) bis zur bestandskräftigen Entscheidung der Zulassungsgremien über die Umwandlung der Ermächtigung in eine Zulassung fortbesteht.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsteller und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens beider Instanzen jeweils zu ½ mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2011 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
1.) Soweit der Antragsteller mit seinem ausdrücklich gestellten Antrag begehrt hat, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Ermächtigung des Antragstellers zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte und Psychotherapeuten vom 12. Januar 2011 in eine Zulassung umzuwandeln, hat das Sozialgericht den Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Denn dem Antragsteller fehlt für dieses Begehren ein eiliges Regelungsbedürfnis und damit ein Anordnungsgrund nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 11. Dezember 2009, L 7 KA 143/09 ER sowie vom 27. Januar 2010, L 7 KA 139/09 B ER, jeweils zitiert nach juris) besteht in aller Regel kein eiliges Regelungsbedürfnis und damit kein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung, mit der einem Antragsteller ein vertragsärztlicher Status - z. B. eine Zulassung oder Ermächtigung - zugesprochen werden soll. Denn ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zielt darauf ab, vorläufige Regelungen herbeizuführen, während Statusentscheidungen stets endgültigen Charakter haben und damit die Hauptsache vorwegnehmen; zumindest die während der Dauer ihrer vorübergehenden Geltung erbrachten Leistungen können nachträglich nicht vollständig rückabgewickelt werden. Um eine solche Statusentscheidung - die Umwandlung einer (befristeten) Ermächtigung in eine (bedarfsunabhängige) Zulassung - wird auch hier gestritten. Allerdings hat der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des BSG in diversen Entscheidungen, in denen um eine (rückwirkende) Statusentscheidung bzw. Genehmigung gestritten wurde, anklingen lassen, dass er eine nur vorläufig erteilte Genehmigung auch in diesen Angelegenheiten nicht für ausgeschlossen hält (so Urteile vom 31. Mai 2006, B 6 KA 7/05 R - für die Verlegung des Vertragsarztsitzes -, vom 5. November 2003, B 6 KA 11/03 R - für die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes -, vom 11. September 2002, B 6 KA 41/01 R, und Beschluss vom 28. September 2005, B 6 KA 19/05 B - jeweils für die Zulassung als Psychotherapeut -, außerdem in einer kostenrechtlichen Entscheidung: Urteil vom 17. Oktober 2007, B 6 KA 4/07 R; alle veröffentlicht in juris). Diese Rechtsprechung schließt es jedoch nicht aus, als Ausnahme zur in der Rechtsprechung des Senats entwickelten o.g. Regel einen vertragsärztlichen Status im Wege einstweiligen Rechtsschu...