Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Vorliegen eines auf fehlende Mitwirkung gestützten Versagungsbescheides. Bestandskraft des Versagungsbescheides. Überprüfungsantrag. Einstweiligen Anordnung. Mitwirkung. Versagung. Bestandskraft. Überprüfung
Orientierungssatz
1. Versagt die Behörde Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nicht wegen Fehlens materieller Leistungsvoraussetzungen, sondern nach § 66 Abs. 1 SGB I wegen fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten, ist ein Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Denn Ziel des Antrages ist die vorläufige Zahlung von Leistungen, die durch eine vorläufige Aussetzung der Vollziehung des Versagungsbescheides nach § 86b Abs. 1 SGG nicht erreicht werden könnte.
2. Die eingetretene Bestandskraft des Versagungsbescheides ändert nichts an der Statthaftigkeit des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, wenn zeitgleich mit diesem Antrag ein auf § 44 SGB X gestützter Überprüfungsantrag gestellt wird.
Normenkette
SGB X § 44; SGB I § 66; SGG § 86b; GG Art. 19 Abs. 4
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. April 2009 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab dem 18. Mai 2009 für die Dauer von sechs Monaten, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 571,40 € monatlich zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens für beide Instanzen zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. April 2009 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Mit ihr begehren die Antragsteller bei sachdienlicher Auslegung ihrer Ausführungen die vorläufige Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 571,40 € monatlich, und zwar unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache für die Dauer von sechs Monaten beginnend ab dem 29. April 2009 (Eingang ihres Antrags bei Gericht), hilfsweise ab dem Zeitpunkt einer stattgebenden Entscheidung des Gerichts. Über dieses Begehren hat das Sozialgericht auf der Grundlage des entsprechend auszulegenden Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch vollumfänglich entschieden.
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Der angegriffene Beschluss ist unzutreffend, soweit den Antragstellern hiermit die ihnen nunmehr für die Zeit ab der Entscheidung des Senats zuerkannten Leistungen versagt worden sind.
Bezogen auf diese Leistungen erweist sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 SGG zunächst als zulässig. Insbesondere bestehen gegen seine Statthaftigkeit keine Bedenken, obwohl der Antragsgegner die begehrte Leistung hier mit seinem Bescheid vom 17. März 2009 nicht wegen des Fehlens materieller Leistungsvoraussetzungen, sondern nach § 66 Abs. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) wegen fehlender Mitwirkung der Leistungsberechtigten versagt hat. Gegen diesen Bescheid müssten die Antragsteller im Hauptsacheverfahren zwar richtigerweise mit der Anfechtungsklage vorgehen. Im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes können sie jedoch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht darauf verwiesen werden, zur Durchsetzung ihres Rechtsschutzziels nach § 86 b Abs. 1 SGG vorzugehen. Denn Ziel ihres Antrags ist die vorläufige Zahlung von Leistungen, die durch eine vorläufige Aussetzung der Vollziehung des Versagungsbescheides nicht erreicht werden könnte.
Dass der Versagungsbescheid vom 17. März 2009 nach Lage der Akten bestandskräftig geworden ist, weil die Antragsteller hiergegen erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist Widerspruch erhoben haben und der Antragsgegner diesen Widerspruch mittlerweile auch bereits mit seinem Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2009 als unzulässig verworfen hat, ändert an der Statthaftigkeit des hier in Rede stehenden Antrags nichts und führt des Weiteren auch nicht dazu, dass der Antrag etwa mangels streitigen Rechtsverhältnisses oder mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig angesehen werden müsste. Mit Rücksicht auf die nach Lage der Akten eingetretene Bestandskraft des Versagungsbescheides steht zwar zwischen den Beteiligten bindend fest, dass den Antragstellern wegen fehlender Mitwirkung derzeit kein durchsetzbarer Anspruch auf die begehrte Leistung zusteht. Angesichts der in ihrem Fall vorliegenden Besonderheiten bede...