Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründung eines Scheinarbeitsverhältnisses zum Zweck der Erlangung von Krankenversicherungsschutz

 

Orientierungssatz

1. Auch bei tatsächlicher Begründung eines Arbeitsverhältnisses tritt Versicherungspflicht nicht ein, wenn dies im Wesentlichen in der Absicht geschieht, Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Verbleiben erhebliche Zweifel, ob das vertraglich niedergelegte Arbeitsverhältnis auch tatsächlich umgesetzt wurde, kann die geltend gemachte berufliche Tätigkeit nicht durch Nachweise belegt werden, gibt es keinen Zeugen für die behauptete Tätigkeit und erfolgte die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung erst viele Wochen nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrags, so ist von dem Abschluss eines Scheinarbeitsvertrags zur Erlangung von Krankenversicherungsschutz auszugehen.

2. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit sind von dem Beteiligten zu tragen, der aus den geltend gemachten Tatsachen ein materielles Recht herleiten will.

3. Hinweis der Dokumentationsstelle: Beschwerde der Klägerin durch das BSG mit Beschluss vom 28. Juni 2021 als unzulässig verworfen (B 12 KR 99/20 B)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.06.2021; Aktenzeichen B 12 KR 99/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin

vom 15. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in der Zeit vom 1. April 2010 bis zum 31. Oktober 2011 als Beschäftigte bei der Beigeladenen zu 1. pflichtversichert war.

Die Klägerin ist 1961 geboren und georgische Staatsangehörige. Sie lebt seit 1991 mit Unterbrechungen in der Zeit von 2002 bis 2006 in Deutschland. Sie ist Diplompädagogin für Deutsch und Englisch sowie Diplomdolmetscherin und Übersetzerin für die deutsche Sprache. Sie studierte Rechtswissenschaft, von 1996 bis 2002 war sie Gesellschafter-Geschäftsführerin der N GmbH(Stammkapital: 50.000 DM). Diese war 1994 in das Handelsregister eingetragen worden. Geschäftsführer und Gesellschafter war seinerzeit Herr D A (geboren 1955), mit dem die Klägerin seit Januar 1996 verheiratet ist. Seit der Geburt der gemeinsamen Tochter im Jahr 2001 ruhte ihre Tätigkeit als Dolmetscherin. Während der Studienzeit und ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Dolmetscherin war die Klägerin nach eigenen Angaben bei der Debeka Krankenversicherung privatversichert. Sie war auch nach ihrer Wiedereinreise im Jahr 2006 nicht als Arbeitnehmerin in Deutschland tätig. Herr A war nach eigenen Angaben ebenfalls bis 2002 bei der Debeka Krankenversicherung privatversichert. Während des mehrjährigen Auslandsaufenthaltes war die Familie nicht krankenversichert. Den Lebensunterhalt hat die Familie nach der Rückkehr aus Georgien nach eigenen Angaben aus Ersparnissen und Unterstützungszahlungen seitens der Familie der Klägerin aus Georgien bestritten.

Mit Gesellschafterbeschluss vom Mai 2007 wurde die N GmbH in die Beigeladene zu 1) umfirmiert und ihr Gegenstand geändert. Gegenstand war nunmehr die Entwicklung internationaler Ausbildungszentren, zum 31. August 2010 ergänzt um Architekten- und Ingenieursdienstleistungen einschließlich Projektentwicklung und Projektsteuerung sowie Facility-Management. Bis Mai 2007 hielt Herr A alle Geschäftsanteile der Beigeladenen zu 1). Danach erwarb die H GmbH Anteile an der Beigeladenen zu 1), ab Dezember 2007 übernahm noch ein weiterer Gesellschafter (Herr Z S) Geschäftsanteile. Im April 2008 wurde Herr Ar durch (Rück-)Kauf der Anteile der H GmbH Mehrheitsgesellschafter der Beigeladenen zu 1). Ab Ende August 2010 übernahm dann wieder die H GmbH Gesellschaftsanteile und war Mehrheitsgesellschafterin. Am 25. Mai 2011 erwarb Herr K die Geschäftsanteile von der H GmbH und wurde Geschäftsführer. Davor war Herr A ab April 2008 Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Dazu schloss er mit der Beigeladenen zu 1) einen GmbH-Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. Er war von den Beschränkungen des §§ 181 BGB befreit, zu einer wöchentlichen Arbeitsleistung von 8 Stunden verpflichtet. Für seine Tätigkeit erhielt er kein Gehalt bis zu dem Zeitpunkt, wenn die Gesellschaft mit der Durchführung des Projektes „Europäisches Berufsbildungszentrum“ von dritter Seite beauftragt worden ist (§ 4 Abs. 1 des GmbH-Geschäftsführervertrags). Herr A war nach eigenen Angaben neben seiner Geschäftsführertätigkeit als selbstständiger Energieberater tätig.

Bis zum 14. September 2011 firmierte die Beigeladene zu 1) unter der damaligen Wohnanschrift des Ehepaars A in B, K und wies als Betriebskosten auch Mietzahlungen hierfür aus, seither hat sie ihre Anschrift in G.

Die Klägerin unterzeichnete unter dem Datum „26. März 2010“ einen Arbeitsvertrag mit der Beigeladenen zu 1), vertreten durch ihren Ehemann als Geschäftsführer. Darin wurde die Klägerin vom 1. April 2010 an als Dolmetscherin und Übersetzerin für die Sprachen georgisch und russisch eingestellt. Die regelmäßige Arbeitsze...

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