Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Familien- bzw. Betreuungshelfer
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Entscheidend für den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Familien- bzw. Betreuungshelfers ist, wie dessen Tätigkeit zu seinem kommunalen Auftraggeber im Einzelnen organisiert und ausgestattet ist.
3. Ist der Familienhelfer bei der Gestaltung seine Tätigkeit frei von Weisungen seines Auftraggebers, existieren keine inhaltlichen Vorgaben für seine Tätigkeit, kann er uneingeschränkt Aufträge anderer Auftraggeber annehmen und hat er weder einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall noch von bezahltem Urlaub, so ist von dem Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht der Sache nach der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: “der Beigeladene„) in seiner Tätigkeit für den Kläger in der Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 31. März 2010.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Träger, der u. a. Familienhilfe, Betreuungshilfe und intensive sozialpädagogische Einzelfallbetreuung nach den §§ 30, 31 und 35 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) betreibt. Er beschäftigt keine festangestellten Familienhelfer.
Der Beigeladene ist Diplompsychologe. Seit 2006 absolvierte er die Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten. Parallel hierzu war er seit dem 1. Februar 2008 bis zum 31. März 2010 als Psychologe in der psychotherapeutischen und psychologischen Beratung, Mediation und Einzelfallhilfe für den Kläger tätig. Zeitlich parallel bewarb er sich auch um Tätigkeiten als Einzelfall- und Familienhelfer bei anderen Trägern.
Der Kläger und der Beigeladene schlossen am 1. März 2008 eine “Vereinbarung über eine freie Mitarbeit in der Familienhilfe, der Betreuungshilfe und der intensiven sozialpädagogischen Einzelfallhilfe„.
Nach § 1 Vertragsgegenstand übernimmt der freie Mitarbeiter im Rahmen dieser Vereinbarung eine sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 SGB VIII/Betreuungshilfe nach § 30 SGB VIII/intensive sozialpädagogische Einzelfallhilfe nach § 35 SGB VIII. Zeitpunkt und Ort der Tätigkeit werden durch den Auftragnehmer in Absprache mit der Klientenfamilie selbst festgelegt. Der Auftragnehmer ist in der Gestaltung seiner Tätigkeit selbständig tätig und vollkommen frei. Es besteht zwischen den Parteien Einvernehmen darüber, dass der Auftragnehmer an keinerlei Vorgaben der Auftraggeber und zum Arbeitsort gebunden ist.
Auf die Vereinbarung wird ergänzend verwiesen.
Der Kläger und der Beigeladene beantragten am 10. März 2008 bei der Beklagten eine Statusfeststellung nach § 7 a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Eingereicht wurden im Verwaltungsverfahren u. a. Rechnungen des Beigeladenen.
Der Kläger wies u. a. darauf hin, dass es dem Beigeladenen als Honorarkraft freigestellt gewesen sei, andere Fachkräfte, die spezielle Aufgaben übernähmen, für sich arbeiten zu lassen.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 24. Juli 2009 fest, dass der Beigeladene die seit dem 1. Februar 2008 beim Kläger als Familienhelfer ausgeübte Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Familienhelfer seien regelmäßig abhängig beschäftigt. Denn auch während des Einsatzes verbleibe die Gesamtverantwortung beim zuständigen Sachbearbeiter des Amtes. Werde - wie hier - ein freier Träger eingeschaltet, gebe dieser ggf. lediglich das weiter, was ihm selbst vertraglich vom öffentlichen Träger vorgegeben werde. Hier erfolge die Zuweisung der zu Betreuenden über den Kläger. Es folge eine regelmäßige Überprüfung der Einhaltung des erstellten Hilfeplans durch schriftliche Berichtspflicht. Auch nehme der Beigeladene an Supervisionen teil.
Hiergegen erhoben der Beigeladene am 3. August 2009 und der Kläger am 26. August 2009 Widerspruch. Der Kläger wies darauf hin, dass eine Teilnahmepflicht weder bei den Teamsitzungen, noch bei den Supervisionen bestehe. Er hat Kopien der Leistungsvereinbarungen zwischen dem Land Berlin und ihm über das Leistungsangebot sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 SGB VIII sowie Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer nach § 30 SGB VIII eingereicht, ferner umfangreiche Rechnungsko...