Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit eines Bescheides des Rentenversicherungsträgers über die Verrechnung von Beitragsansprüchen eines anderen Sozialleistungsträgers mit den Rentenansprüchen des Versicherten
Orientierungssatz
1. Der Rentenversicherungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Beitragsansprüche gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig i. S. der Vorschriften des SGB 2 oder des SGB 12 wird.
2. Hierzu ist erforderlich, dass der Verrechnungs-Verwaltungsakt i. S. von § 33 Abs. 1 SGB 10 inhaltlich hinreichend bestimmt ist, vgl. BSG, Urteil vom 07. Februar 2012 - B 13 R 85/09 R.
3. Für den Empfänger des Verrechnungsbescheides muss aus dem Verwaltungsakt erkennbar sein, mit welcher Forderung des anderen Sozialleistungsträgers die Forderung des Versicherten gegen den Rentenversicherungsträger verrechnet werden soll.
4. Aus dem Verwaltungsakt muss hervorgehen, welche Gesamt- bzw. Einzelforderung des anderen Sozialleistungsträgers im Einzelnen besteht und auf welchen Zeitraum sich diese bezieht. Ferner ist der Forderungsbescheid des anderen Sozialleistungsträgers anzugeben.
5. Eine aus der Unbestimmtheit der Verrechnungserklärung resultierende Unwirksamkeit der Verrechnung hat zur Folge, dass der Bescheid aufzuheben ist.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2010 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Wirksamkeit einer Verrechnung.
Die 1949 geborene Klägerin und in der Schweiz (zeitweise auch Österreich) lebende Klägerin war jedenfalls im Juli 2005 Geschäftsführerin der S S T GmbH. Am 13. Juli 2005 unterzeichnete sie in dieser Eigenschaft eine Zahlungsvereinbarung mit der Barmer Ersatzkasse (BEK) - der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen -. Darin erkannte die Schuldnerin - die S S T GmbH - unter 1. an, der BEK Schadensersatzansprüche nach §§ 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 266a Strafgesetzbuch (StGB) i. H. v. 24.284,35 Euro zu schulden zzgl. 5% Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz. Die Forderung wurde unter 2. mit der Maßgabe gestundet, dass sie durch wöchentliche Teilzahlungen ab 15. Juli 2005 i. H. v. 500,00 Euro beglichen werde. Künftig fällig werdende Sozialversicherungsbeiträge ab dem Monat Juni 2005 würden termingerecht gezahlt (3.). Komme der Schuldner seinen Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung nicht nach, werde der restliche Schuldbetrag in einer Summe fällig mit der Rechtsfolge, dass für die weitere Dauer des Zahlungsverzuges hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge der nach § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vorgesehene Säumniszuschlag erhoben werde (4.). Gemäß 5. erfolgte eine Sicherheitsleistung durch die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft eines Dritten laut beigefügter Bürgschaftserklärung. In der beigefügten, von der Klägerin unterzeichneten, Bürgschaftsurkunde vom 13. Juli 2005 hieß es u. a., die Klägerin schulde der BEK an rückständigen Beiträgen zur Sozialversicherung für die Zeit vom 01. Juli 2004 bis zum 31. Mai 2005 einschließlich Säumniszuschlägen, Mahngebühren und Kosten einen Betrag i. H. v. 24.284,35 Euro zzgl. Zinsen i. H. v. 2% über dem jeweils gültigen Basiszinssatz. Für diese Schuld übernehme die Klägerin die selbstschuldnerische Bürgschaft.
In der Folgezeit erfolgten auf die Schuld Zahlungen i. H. v. 3.760,00 Euro bis zum 18. Oktober 2005. Die Klägerin leistete ferner Zahlungen i. H. v. insgesamt 12.260,14 Euro (Schreiben der Beigeladenen vom 20. Mai 2009).
Unter dem 13. März 2008 (Eingang bei der Beklagten am 02. April 2008) ermächtigte die Beigeladene die Beklagte gemäß § 52 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) i. V. m. § 51 SGB I bzw. § 28 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) zur Verrechnung einer Forderung gegen die Klägerin aus Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01. November 2004 bis zum 31. Mai 2005 i. H. v. 20.524,35 Euro. Darin enthalten seien Säumniszuschläge i. H. v. 1.317,00 Euro.
Am 02. März 2009 ging bei der Beklagten der formlose Antrag der Klägerin auf Gewährung von Altersrente für Frauen ab dem 01. Mai 2009 ein. Auf Aufforderung der Beklagten konkretisierte die Beigeladene mit Schreiben vom 26. Mai 2009 ihr Verrechnungsersuchen dahingehend, dass die Forderung nach Stand 26. Mai 2009 sich noch auf 14.925,59 Euro inkl. Säumniszuschläge und Kosten i. H. v. 3.146,33 Euro aus nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen (§ 28e SGB IV i. V. m. § 250 Fünftes Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) zzgl. weiterer Säumniszuschläge belaufe. Es werde die Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I beantragt. Datum des bindenden Forderungsbescheides sei der 13. Juli 2005.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit...