Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Prüfgegenstand. Beitragssummenbescheid. Entleiherhaftung. Scheinunternehmer. Serviceunternehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Prüfbescheid nach § 28 p Abs 1 S 5 SGB IV kann wahlweise auf § 28e Abs 1 S 1 oder Abs 2 S 4 SGB IV gestützt werden.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. September 2014 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist ein Prüfbescheid der Beklagten, in welchem von der Klägerin für die Zeit von September 2002 bis Oktober 2005 insgesamt 236 452,85 Euro nachgefordert werden, einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 60 375,00 Euro.

Das Hauptzollamt L traf im Rahmen einer Baustellenkontrolle am 18. November 2004 in L (S zwei polnische Trockenbauer an, die sich jeweils als Einzelunternehmer ausgaben. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen deren mutmaßlichen Arbeitgeber wurde die von ihnen angegebene Geschäftsadresse in B, Zstraße, B, durchsucht, eine Wohnung, welche dem Geschäftsführer der Klägerin C gehörte. Vor Ort wurde ihr jetziger Mitgeschäftsführer M angetroffen. Aufgrund dessen Einlassung im Rahmen einer Vernehmung und u. a. aufgrund des Umstandes, dass unter der Adresse insgesamt 28 Gewerbetreibende angemeldet waren, erließ das Amtsgericht Karlsruhe am 15. August 2005 einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss wegen des Verdachts, dass die Geschäftsführer C und M Arbeitsentgelt veruntreut und vorenthalten sowie Ausländer ohne Arbeitsgenehmigung zu ungünstigen Bedingungen und im großen Umfang beschäftigt und Steuern hinterzogen hätten, (Az.: 31 Gs 2187/05, bestätigt vom Landgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 24. April 2006 - 2 Qs 81/05).

Das Hauptzollamt durchsuchte die damaligen Geschäftsräume der Klägerin in der A Straße in B. Vorgefunden und beschlagnahmt wurden dort u. a. zahlreiche Stundenaufzeichnungen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sicherstellungsverzeichnis des Hauptzollamts L vom 11. Oktober 2005 Bezug genommen (Kopie in der beigezogenen Akte Staatsanwaltschaft Berlin 3 StJs 683/06). Ausweislich des Abschlussberichtes des Hauptzollamtes vom 19. Mai 2008 wurden auch Blanko-Briefbögen des Subunternehmen I GmbH (nachfolgend nur noch: “I„) und auf einem Computer Briefköpfe der I und einer D GmbH (nachfolgend nur noch: “D„) gefunden. Das Hauptzollamt beantragte daraufhin den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses auch hinsichtlich der Geschäftsräume der I in der Astraße in B.

Am 5. Juni 2007 wurde (u. a.) deren Geschäftsführer U G vernommen. Die I teilte mit Schreiben vom 8. Juni 2007 durch diesen mit, dass er bei der Vernehmung am 5. Juni 2007 “in völlig alkoholisiertem Zustand„ gewesen sei. Seine Aussage entspräche zum Teil nicht der Wahrheit. Er habe einige Sachen durcheinandergebracht. Er wolle seine Aussage zurückziehen.

Das Hauptzollamt L fasste seine Erkenntnisse im Schlussbericht vom 19. Mai 2008 zusammen und führte aus, bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der Klägerin seien zahlreiche Akten und sonstige Unterlagen sowie Computerdaten beschlagnahmt und ausgewertet worden. Bei der Auswertung der Unterlagen seien zahlreiche Tagelohnnachweise und Stundenaufzeichnungen gefunden worden. Die Tagelohnzettel trügen im Kopf den Namen der Klägerin. Darauf vermerkt seien Auftraggeber, Baustelle, ausgeführte Arbeiten, Name der Arbeiter und die geleisteten Stunden. Die Tagelohnnachweise seien jeweils vom Bauleiter des Auftraggebers oder dessen Beauftragten als “sachlich richtig„ gegengezeichnet. Aus den Tagelohnnachweisen werde deutlich, dass die Arbeiter arbeitstäglich in der Regel von Montag bis Freitag zehn Stunden, teilweise noch länger, und samstags sechs Stunden gearbeitet hätten. Die Tagelohnnachweise seien für verschiedene Tätigkeiten ausgefüllt. Somit seien für einzelne Arbeiter teilweise mehrere Tagelohnnachweise am selben Tag vorhanden. Insgesamt ergebe sich dabei eine normale wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden oder mehr. Viele Baustellen der Klägerin hätten sich außerhalb B befunden, was für die meisten der Arbeiter ein Verbleiben am auswärtigen Arbeitsort nötig gemacht habe. Dass die meisten Arbeiter lediglich zwei bis drei Tage am auswärtigen Arbeitsort gearbeitet und die restlichen Tage der Arbeitswoche frei gehabt hätten, entspreche nicht der Arbeitswirklichkeit und werde durch die Tagelohnnachweise widerlegt. Dass auch die bei der Sozialversicherung gemeldeten Arbeiter in der Regel lediglich einen Bruttoverdienst von 400,00 € bis (nur) rund 1.000,00 € pro Monat gehabt hätten, lasse den Schluss zu, dass die Arbeiter entweder nicht den im Baugewerbe vorgeschriebenen Mindestlohn erhalten oder/und entsprechend Schwarzlohnzahlungen erhalten hätten. Ein Abgleich der Namen in den Tagelohnnachweisen beim Verband der Rentenversicherungsträger habe ergeben, dass teilweise Arbeitnehmer zur S...

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