Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigung. Familientherapie. Sozialversicherungspflicht. Tätigkeit als Familientherapeutin im Rahmen der ambulanten Erziehungshilfe. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. Weisungsrecht. Betriebliche Eingliederung. Arbeit im Team. Hilfeplan. Gesamtverantwortung
Leitsatz (amtlich)
Zur Einstufung der Tätigkeit einer Psychologin der aufsuchenden Familientherapie als abhängige Beschäftigung.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1; SGB VIII §§ 8a, 21, 36, 79 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2014 wird aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin zu 1) in ihrer Tätigkeit als Familientherapeutin für die Klägerin zu 2) in der Zeit vom 1. August 2009 bis 25. Januar 2011.
Die Klägerin zu 2) ist ein anerkannter Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Die Berliner Jugendämter beauftragen sie gemäß § 4 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) mit ambulanten Hilfen zur Erziehung und mit Eingliederungshilfen für behinderte junge Menschen. Im Streit sind hier Tätigkeiten der ambulanten Erziehungshilfe nach § 27 Abs. 3 SGB VIII. Die Klägerin schloss hierzu mit dem Land Berlin einen Trägervertrag ab (Leistungs-Entgelt- und Qualitäts-Entwicklungsvereinbarungen; Trägervertrag Nr. 1402/2007).
Durch Einzelfallverträge mit dem jeweils örtlich zuständigen Jugendamt verpflichtete sie sich zur Durchführung der Leistung im Einzelfall im Rahmen des Vertrages und zu den Bedingungen des Trägervertrages. Der Abschluss eines Einzelfallvertrages setzte die vorherige Feststellung des Anspruches und des Bedarfs im Rahmen des Hilfeplanverfahrens voraus.
Die Klägerin zu 2) bediente und bedient sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen überwiegend festangestellter Mitarbeiter. Ausschließlich die Familientherapie lässt sie durch freie Therapeuten durchführen. Die Auftragsvergabe wurde dabei durch eine Angestellte koordiniert. Das Team der Familientherapeutinnen trat unter dem Namen “D„ auf.
Das Prozedere stellte und stellt sich allgemein so dar: Ein pädagogisch-therapeutischer Bedarf ergibt sich aufgrund von Auffälligkeiten in der Familiensituation und im Verhalten des jeweiligen Kindes, die dem Jugendamt gemeldet werden, an das sich manche Familien auch direkt wenden. Erscheint dem Jugendamt nach dem Ergebnis seiner eigenen Aufklärungsbemühungen eine Familientherapie geboten und sind die Eltern damit einverstanden, diese Hilfe anzunehmen, bittet das Jugendamt einen möglichst nahe am Wohnort der Familie ansässigen Träger um die Übernahme dieser Therapie. Der Hilfeplan enthält lediglich die Problembeschreibung (Symptombeschreibung) die (möglicherweise unterschiedlichen) Ziele der beteiligten Personen der Familie, die für erforderlich und geeignet erhaltene Hilfeart - hier aufsuchende Familientherapie - und Absprachen oder ähnliches mit den Erziehungsberechtigten zur kontinuierlichen und verlässlichen Therapieteilnahme. Da die aufsuchende Familientherapie regelmäßig durch zwei Therapeuten durchgeführt wird, sucht sich jeder Therapeut seinen Co-Therapeuten selbst, wobei nicht unbedingt auf Honorarkräfte der Klägerin zu 2) zurückgegriffen wird.
Die Klägerin zu 1) ist Diplom-Psychologin. Sie hat sich im Schwerpunkt systemische Familientherapie weitergebildet. Sie war seit 2003 als Psychologin für den sozialpsychiatrischen Dienst in zwei Berliner Bezirksämtern, als Leiterin beim D und als Familientherapeutin für einen Jugendhilfeträger tätig. Seit Ende Juli 2009 ist sie im Rahmen eines Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses beim D tätig.
Sie war im streitgegenständlichen Zeitraum als Familientherapeutin für die Klägerin zu 2) tätig. Die Klägerin zu 2) und sie schlossen hierzu am 29. Juli 2009 einen “Vertrag über freie Mitarbeit„.
Die Klägerin zu 1) betreute mit einem Co-Therapeuten im Auftrag der Klägerin zu 2) durchschnittlich etwa vier Fälle als Familientherapeutin gleichzeitig.
Am 4. September 2009 stellten die Kläger gemeinsam einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Die Klägerin zu 1) gab unter anderem an, Eigenakquise bei den zuständigen Jugendämtern zu betreiben bzw. dass die Sozialarbeiter sich direkt an die Familientherapeuten wie sie wendeten.
An der Erstellung des Hilfeplanes seien maßgeblich das Jugendamt, die Familie und die Therapeutin beteiligt. Auf der Helferkonferenz werde der Hilfeplan erstellt. Die Klägerin zu 2) mache keine Vorgaben zur Methodik und Therapie, sie -die Klägerin zu 1)- habe vielmehr ihre eigene Konzeption zur aufsuchenden Familientherapie. Die Klägerin zu 2) biete keine Fortbildungsseminare oder Supervisionen an.
Am Ende der Hilfe erfolge ein Bericht an das Jugendamt.
Nach vorangegangener A...