Entscheidungsstichwort (Thema)

Displaced Persons. Glaubhaftmachung der Beitragsentrichtung für einen in einem Displaced-Persons-Lager Beschäftigten. DP-Lager Leipheim und Neu-Ulm. UNRRA. (PC)IRO. Versicherungspflichtige Beschäftigung (messing clerk/messing officer). Glaubhaftmachung. Beitragsabführung. Altersruhegeld. Überprüfungsverfahren. Beweiswürdigung

 

Orientierungssatz

1. Ob ein Beitragswert zwischen Juni 1946 und Oktober 1948 glaubhaft gemacht ist, richtet sich noch nach § 1 Abs. 1 VuVO und nicht nach der insoweit inhaltsgleichen Vorschrift des § 286 a SGB 6.

2. Zur Glaubhaftmachung einer Beitragszeit ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass Beiträge tatsächlich gezahlt worden sind. Der Fall einer Beweisnot infolge von Vernichtung von Versicherungsunterlagen führt zur Beweiserleichterung mittels Glaubhaftmachung. Der Nachweis einer Beschäftigung allein genügt nicht zur Glaubhaftmachung von Beiträgen.

3. Allein aus der Lohnabrechnung über das jeweils zuständig gewesene Besatzungskostenamt kann nicht abgeleitet werden, dass für jeden entgeltlich in einem Displaced-Persons-Lager Beschäftigten auch Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind.

4. Entsprechend den allgemeinen Regeln der Beweislast treffen den Versicherten die Nachteile daraus, dass die Beweisanforderungen für die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht erfüllt sind.

 

Normenkette

AVG § 27 Abs. 1, §§ 2-3; VuVO § 1 Abs. 1; SGB VI § 149 Abs. 5; SGB X § 44; SGG § 128 Abs. 1 S. 1; ZPO § 403

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2000 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten einschließlich derer des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 7. August 2003, soweit diese erfolgreich war, sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist im Zugunstenverfahren die Gewährung eines höheren Altersruhegeldes für Lebzeiten des Versicherten unter Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.

Die 1932 geborene Klägerin ist die Ehefrau und Erbin des 1926 in P/P geborenen und am 5. Juni 2008 in Israel verstorbenen Versicherten. Der Versicherte war Verfolgter des Nationalsozialismus.

Nach Kriegsende kam der Versicherte in das Gebiet der damaligen amerikanischen Besatzungszone Deutschlands, wo er sich in Lagern für Displaced Persons (DP) aufhielt. Durch Unterlagen belegt sind zeitweilige Aufenthalte in L (bei U), N-U und Bad W.

Seit 1948 lebte der Versicherte in I und besaß die israelische Staatsangehörigkeit. Von der Beklagten erhielt er seit 1. Februar 1991 Altersruhegeld (Bescheid vom 4. Dezember 1991), nachdem er gemäß Art. 12 der Durchführungsvereinbarung zum Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nachentrichtet hatte. Im Antrag auf Gewährung einer Versichertenrente aus der deutschen Rentenversicherung vom 29. August 1990 hatte er den Fragenblock E, der die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland betraf, durchgehend mit “nein„ beantwortet.

Am 18. März 1994 beantragte der Versicherte “die Anerkennung von in Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten und daraus resultierend die Anrechnung von Verfolgungszeiten„. Er machte geltend, seit August 1946 für die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) gearbeitet zu haben. Er habe im DP-Lager L als “messing clerk„ (Angestellter im Kasino/Speiseraum) begonnen und sei später in der Lkaserne N-U als “messing officer„ tätig gewesen. Er legte dazu ein Schreiben des PCIRO (Preparatory Commission of the International Refugee Organization)-Area-Teams 1062 vom 8. Oktober 1948, ein Diplom vom 29. Januar 1947 betreffend die Teilnahme an einem Kursus in einem Trainingscenter der UNRRA in Bad Wund einen Führerschein, ausgestellt am 25. November 1947 vom Landrat des Kreises N U (mit der Berufsangabe “Buchhalter„), vor. Anfragen der Beklagten bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) U, dem Amt für Verteidigungslasten K, der AOK G, der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) Oberbayern und der AOK M nach Unterlagen über die vom Versicherten geltend gemachten Versicherungszeiten blieben erfolglos.

Die Beklagte lehnte es darauf hin mit Bescheid vom 30. August 1994 ab, die Zeit vom 1. August 1946 bis 31. Oktober 1948 als Beitragszeit anzuerkennen. Die Zahlung von Beiträgen sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte die Entschädigungsakte des Versicherten wegen Schadens an Freiheit vom Bayerischen Landesentschädigungsamt bei, aus der sie Unterlagen in Kopie zur Akte nahm. Ferner holte sie bei den Landratsämtern N-U und G sowie der AOK N-U Auskünfte wegen der behaupteten Beitragszeiten ein, ohne dass sich weitere Erkenntnisse ergaben. Den Widerspruch wies die Beklagte daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 1996 zurück.

Mit seiner Klage ha...

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