Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. rückwirkende Einführung des Erstattungsanspruchs der Grundsicherungsträger bei nachträglicher Bewilligung anderer Sozialleistungen zum 1.1.2009. Rentennachzahlung. Erlöschen des Nachzahlungsanspruchs. Erfüllungsfiktion. Verfassungsmäßigkeit der echten Rückwirkung der Neuregelung

 

Leitsatz (amtlich)

Die echte Rückwirkung des § 40a SGB II durch Art 2 Abs 2 8. SGB II-ÄndG (juris: SGB2ÄndG 8) verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsgebot (Art 20, 28 GG).

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Auszahlung einer von der Beklagten bewilligten Erwerbsminderungsrente an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 im Hinblick auf eine Erfüllungsfiktion wegen in diesem Zeitraum erbrachter Grundsicherungsleistungen des beigeladenen Jobcenters.

Die 1957 geborene Klägerin bezog im genannten Zeitraum Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich insgesamt jeweils 860,89 Euro von der Beigeladenen durch Bescheid vom 29. Januar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. April 2014 für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2014 vorläufig, für die Zeit ab 1. August 2014 endgültig durch Bescheid vom 7. Juli 2014.

Am 18. Juni 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten. Sie gab dabei an, seit 1. Januar 2013 Arbeitslosengeld II von der Beigeladenen zu erhalten. Die Beklagte holte den Befundbericht der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des A-Klinikums vom 14. Juli 2014 ein, wonach die Klägerin wegen einer paranoiden Schizophrenie seit 30. August 2013 wiederholt kurze Krankenhausaufenthalte, vom 9. Oktober 2013 bis 1. April 2014 einen durchgehenden vollstationären Krankenhausaufenthalt hatte und seit 2. April teilstationär und seit 24. April 2014 tagesklinisch in Behandlung sei. Wegen des Inhalts des Befundberichts und des Arztbriefes wird gemäß § 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Verwaltungsakte Bezug genommen. Die Beklagte holte das Gutachten des Nervenarztes und Psychotherapeuten Dr. Z vom 13. August 2014 ein. Er meinte, die Klägerin sei aufgrund ihrer ausgeprägten kognitiven, affektiv-emotionalen und intentionalen Störungen längerfristig (mindestens für zwei Jahre) nicht mehr dazu in der Lage, sich als Arbeitssuchende auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchzusetzen, auf einem neuen Arbeitsplatz einzuarbeiten/sozial zu integrieren und dort dann drei oder mehr Stunden täglich regelmäßig Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert zu erbringen. Die getroffenen Feststellungen würden seit 18. Juni 2014 gelten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird gemäß § 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Verwaltungsakte Bezug genommen. Mit Schreiben vom 8. September 2014 teilte die Betreuerin der Klägerin die am 21. Januar 2014 eingerichtete Betreuung mit.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 11. November 2014 eine dauerhafte Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines am 30. August 2013 eingetretenen Leistungsfalls rückwirkend ab dem 1. Juni 2014. Der jeweilige monatliche Netto-Zahlbetrag der Rente belief sich nach Abzug der von der Beklagten abzuführenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Juni auf 549,15 Euro und von Juli bis Dezember 2014 auf jeweils 561,51 Euro. Die Beklagte stellte in dem Bescheid einen Nachzahlungsbetrag von insgesamt 3.918,21 Euro für den Zeitraum von Juni bis Dezember 2014 fest, der wegen der Prüfung von Erstattungsansprüchen anderer Stellen vorläufig nicht ausgezahlt werde.

Am 31. Dezember 2014 erhob die Klägerin die hiesige Klage auf Auszahlung des Nachzahlungsbetrags nebst Zinsen. Die Voraussetzungen für Erstattungsansprüche nach §§ 103 ff SGB X lägen nicht vor, wozu auf die Urteile des BSG vom 31. Oktober 2012, B 13 R 9/12 R und B 13 R 11/11 R, verwiesen wurde. Die rückwirkende Einführung des § 40a SGB II verstoße gegen das Rückwirkungsverbot des Rechtsstaatsprinzips. Der Rentenantrag sei durch die Klägerin bereits vor Erlass des § 40a SGB II gestellt worden.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 machte die Beigeladene gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch für das von ihr an die Klägerin gezahlte Arbeitslosengeld II sowie die von ihr übernommenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 4.697,50 Euro geltend, wobei wegen der Einzelheiten des Schreibens gemäß § 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG auf Bl. 68-72 der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Am 27. Januar 2015 erfüllte die Beklagte diesen Erstattungsanspruch in Höhe von 3.918,21 Euro und informierte darüber auch die Klägerin.

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