Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Vorliegen der Berufskrankheit BK Nr. 1302 oder Nr. 1317. Nachweis der Krankheit (Enzephalopathie, Polyneuropathie, Parkinson-Erkrankung) im Vollbeweis
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die vorliegende Erkrankung konkret individuell durch entsprechende Einwirkungen des Stoffes wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden ist und dass die Einwirkungen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sind. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung für die Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht.
2. Steht bereits nicht im Vollbeweis fest, dass eine Enzephalopathie, eine Polyneuropathie oder eine Parkinsonerkrankung vorliegt, so sind die Voraussetzungen der BK Nr. 1302 oder Nr. 1317 nicht gegeben.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer toxischen Enzephalopathie als Berufskrankheit nach Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) oder Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; im weiteren Text: BK Nr. 1302 beziehungsweise 1317).
Der 1941 geborene Kläger hat nach Abschluss der 8. Klasse zunächst von September 1956 bis September 1959 eine Ausbildung als Klempner und Installateur absolviert, anschließend bis März 1960 als Installateur beim VEB R und von April 1960 bis zum 31. Dezember 1998 beim VEB K als Monteur beziehungsweise Bereichsmonteur im Außendienst, nur unterbrochen durch den Dienst bei der NVA von April 1962 bis Oktober 1963, gearbeitet. Seit 1. Januar 1999 war er arbeitslos. Seit 1. September 2000 bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Am 11. Mai 2000 zeigte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen einer Lösemittel- und PCP-induzierten Enzephalopathie mit Hirnstammbeteiligung Stadium II a als Berufskrankheit an. Dazu teilte der Kläger mit, er leide seit circa 1994/1995 unter einem eingeschränkten Kurzzeitgedächtnis. Auch der wechselnde Blutdruck hätte starke Beschwerden verursacht, so zum Beispiel Kopfschmerzen, Schwindel und Schweißausbrüche. Des Weiteren habe er unter Krämpfen in den Beinen und besonders in den Händen gelitten. Das Führen von Werkzeugen sei ihm zunehmend schwer gefallen, manchmal sogar nicht möglich gewesen. Er habe unter Glieder- und Schulterschmerzen sowie Luftnot gelitten. Nachts seien die Nasenschleimhäute ständig trocken und verhärtet gewesen. Des Weiteren seien Erschöpfungserscheinungen und Konzentrationsmangel aufgetreten.
Die Beklagte zog unter anderem Unterlagen des berufsgenossenschaftlichen arbeitsmedizinischen Dienstes sowie einen Bericht des Facharztes für Innere Medizin und Umweltmedizin Dr. K vom 16. März 2000 bei, in dem unter anderem ausgeführt wird, die anamnestischen Daten würden eindeutig auf eine Enzephalopathie mit Hirnstammbeteiligung hinweisen. Der seit 28 Jahren erhöhte Blutdruck, die seit 25 Jahren bestehende Apnoe sowie die Hirnfunktionseinschränkungen seien typisch für chronische Lösemittel- und/oder Halogenkohlenwasserstoff- beziehungsweise PCB-Schädigungen. Die im Stuhl nachgewiesenen PCB seien nicht nahrungsbedingt, sondern eindeutig technischen Ursprungs. Bei schwachen Entgiftern seien PCB-Kongenere mit sehr langen Halbwertzeiten im Körper deponiert. In Verbindung mit neurotoxischen halogenierten Kohlenwasserstoffen supprimierten sie Neurotransmittersynthesen, würden sich als Methylsulfonmetaboliten in den Schleimhauttrakten der Atemwege ablagern und zu gesteigerter Entzündungsaktivität führen. Aufgrund der langen biologischen Halbwertzeit würden sie im Organismus kumulieren und zu Dauerschäden führen. Zusätzlich würden sie die Sensitivität kardialer Katecholaminrezeptoren erhöhen und damit eine gesteigerte Empfindlichkeit auslösen, die sich in Herzjagen und Arrhythmien äußern würden. Im Vordergrund stünde die Hirnleistungsschwäche. Alle Organsymptome würden sich mit der berufsbedingten Schädigung in Übereinstimmung bringen lassen. Es sei eine richtungsbestimmende Erkrankung ausgelöst worden. Er empfehle eine Meldung für die Berufsgenossenschaft als Berufskrankheit unter den Ziffern 1302 und 1317.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdien...