Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschalierte Übernahme der Kosten der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen durch den Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Der Sozialhilfeträger erbringt nach §§ 53 ff. SGB 12 Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Diese wird u. a. in der Form des betreuten Wohnens in einem Heim für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung erbracht.

2. Hierzu schließt der Sozialhilfeträger nach den §§ 75 ff. SGB 12 mit Einrichtungsträgern Verträge und nimmt hierüber seine Leistungsverantwortung wahr.

3. Der Kostenübernahmeanspruch des behinderten Menschen reicht nur soweit, wie der Träger der Einrichtung eine Vergütung schuldet. Dies hängt ausschließlich von der Leistungsvereinbarung des Sozialhilfeträgers mit dem Träger der Einrichtung ab (Anschluss BSG Urteil vom 2. 2. 2010, B 8 SO 20/08 R).

4. Für einen weitergehenden Anspruch des behinderten Menschen gegenüber dem Sozialhilfeträger fehlt es an einer rechtlichen Grundlage.

5. Ein etwaiges Kostenrisiko des Einrichtungsträgers kann auf den behinderten Menschen nicht abgewälzt werden.

6. Die Vergütung des Einrichtungsträgers richtet sich nach §§ 75, 76 Abs. 2 SGB 12 nicht nach den konkreten Einzelbedarfen der zu betreuenden Personen, sondern ist pauschal über die Vereinbarungen geregelt.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine weitergehende Übernahme der Kosten für Eingliederungshilfe in Form betreuten Wohnens im Heim für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung in einem um 98,67 Euro pro Tag über Leistungen entsprechend der Hilfebedarfsgruppe - HBG - V intern bzw. Leistungs-gruppe 6 und Gruppe 3 hinausgehenden Umfang.

Der 1990 geborene Kläger ist geistig behindert, leidet an Epilepsie und Störung der Anpassungs- und Integrationsfähigkeit. Bei ihm ist ein GdB von 100 anerkannt sowie die Voraussetzungen für die Merkzeichen G und H festgestellt. Er lebt seit dem 12. Dezember 2009 in einer Wohngruppe der G e.V. - Beigeladener -. Grundlage für das Wohnen und die Betreuung ist der Wohn- und Betreuungsvertrag mit dem Beigeladenen vom 24. März 2011. Änderungsverträge zu diesem Betreuungsvertrag sind nicht abgeschlossen worden. Die Einrichtung, in der der Kläger lebt, ist konzipiert für leicht bis schwerst intelligenzgeminderte Menschen, die zusätzlich chronische psychiatrische Erkrankungen haben und dadurch bedingte zusätzliche gravierende Verhaltensauffälligkeiten aufweisen (Konzept, Punkt 2.1). Die Betreuung ist für die in der Einrichtung lebenden Menschen rund um die Uhr erforderlich, incl. Nachtwachen. Der Kläger schuldet der Beigeladenen nach dem Wohn- und Betreuungsvertrag für die Zeit ab 12. Dezember 2009 täglich 240,86 Euro als Gesamtentgelt. Darin ist Unterkunft und sonstige Leistung, Verpflegung, Betreuung und ein Investitionsbetrag enthalten. Vertraglich geregelt ist weiter, dass, soweit der Betreute einen Hilfebedarf haben sollte, der mit dem mit dem zuständigen Sozialhilfeträger vereinbarten Entgelt nicht befriedigt werden kann, eine darüber hinausgehende Einzelvereinbarung über ein zusätzliches Entgelt geschlossen werden muss (§ 2 Punkt 3. Betreuungsvertrag). Der Betreute ist zur Zahlung des Gesamtentgeltes verpflichtet. Er ist weiterhin verpflichtet, erforderliche Anträge beim zuständigen Träger der Sozialhilfe zu stellen. Nach § 3 des Vertrages kann eine Anpassung des Vertrages durch einseitige Erklärung bei Änderung des Betreuungs- und Pflegebedarfs erfolgen.

Auf Antrag des Klägers vom 5. November 2009 erklärte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2009 die Kostenübernahme für die Unterbringung des Klägers in der Einrichtung des Beigeladenen zu einem Kostensatz von zur Zeit 250,03 Euro/Tag. Die Kostenübernahme wurde für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 30. November 2010 ausgesprochen. Mit Änderungsbescheid vom 3. Dezember 2009 wurde die Kostenübernahme dahin geändert, dass der Kostensatz 240,68 Euro in der HBG V intern festgesetzt wurde. Mit Änderungsbescheid vom 1. Februar 2010 wurde der Bewilligungsbescheid dahin geändert, dass der Zeitraum erst am 12. Dezember 2009 beginnen sollte und der Kostensatz wurde bis einschließlich 31. November 2010 auf täglich 250,03 Euro in der HBG V intern festgesetzt.

Mit Bescheid vom 12. April 2010 wurde der Bewilligungsbescheid geändert und der Bewilligungszeitraum bis zum 31. Dezember 2010 verlängert.

Am 22. Juni 2010 fand eine Helferkonferenz in Abwesenheit des Klägers statt, worin seitens des Beigeladenen geltend gemacht wurde, dass eine 1:1-Betreuung erforderlich sei. Mit dem vorhandenen Personal könne eine ständige 1:1-Betreuung nicht sichergestellt werden. Der Beigeladene beantragte einen Aufschlag auf die “HBG V intern„.

Die Mutter des Klägers beantragte am 22. Juni 2010 eine individuelle Erhöhung der Maßnahmepauschale für eine Betreuung 1:1. Neben der Maßnahmepauscha...

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