Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2101. anspruchsbegründende Tatsache. bestimmtes Krankheitsbild. Periarthritis humeroscapularis calcarea. Supraspinatussehne. Tendinitis calcarea
Orientierungssatz
Für die verallgemeinernde Diagnose Periarthritis humeroscapularis, die alle Strukturen der Schultern betreffen kann, ist jedenfalls dann kein Raum, wenn es wie hier im Rahmen der Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2101 nur um die Schädigung ganz bestimmter Strukturen der Schultern gehen kann, die auch nur als Berufskrankheit versichert sind. Die Periarthritis humeroscapularis beschreibt aber ein weit darüber hinausgehendes Krankheitsbild, dessen Teil aber durchaus auch eine Erkrankung der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes, der Sehnen- oder der Muskelansätze sein kann. Nur insoweit ist auch das Amtliche Merkblatt zur Berufskrankheit gem BKV Nr 2101 zu verstehen, welches ausführt, dass eine Periarthritis humeroscapularis im Allgemeinen nicht auf berufliche Einflüsse zurückgeführt werden kann. Dies erlaubt nicht den Umkehrschluss, im besonderen Einzelfall könnten alle Krankheitserscheinungen, die in der medizinischen Fachwelt mit Periarthritis humeroscapularis beschrieben worden sind oder noch werden, aber mit einer Erkrankung der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes oder der Sehnen- oder Muskelansätze nichts zu tun haben, als Berufskrankheit im Sinne der Nr 2101 angesehen werden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 18. Juli 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander weder für das erstinstanzliche noch das zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Die 1959 geborene Klägerin war von 1993 bis 1999 in einem pyrotechnischen Betrieb als Maschinenarbeiterin tätig. Dabei hatte die 1,59 m große und 55 kg schwere Klägerin eine Schutzkappensteckmaschine zu bedienen. Um die Maschine zu beschicken, musste sie Magazine mit Treiberhülsen (insgesamt 17 - 19 kg schwer) bis über Kopfhöhe (1,70 m) anheben, in der dafür vorgesehenen Haltevorrichtung positionieren und nach erfolgtem Steckvorgang wieder herunterholen. Diese Arbeitsvorgänge wiederholten sich in einem Rhythmus von sechs Minuten, so dass zehn Hebevorgänge pro Stunde anfielen.
Im März 2001 meldete der Facharzt für Physiotherapie Dr. K den Verdacht einer BK bei der Beklagten. Ergänzend führte er im Schreiben vom 29. Oktober 2001 aus, es stehe für ihn außer Zweifel, dass die schwere chronische Periarthritis humeroscapularis calcarea als Folge der außergewöhnlichen Belastung aufgetreten sei. Es handele sich um eine chronische Verkalkung mit einhergehender Bursitis subacromialis beiderseits, die durch sich ständig wiederholenden Druck auf die betroffenen Schleimbeutel hervorgerufen worden sei. Diese Druckbelastung resultiere aus der Arbeit mit erhobenen Armen, wobei das Tuberculum majus humeri den Schleimbeutel imprimiere und gegen das Acromion drücke. Es handele sich daher um eine BK nach Nr. 2105.
Die Beklagte zog eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes vom 03. Dezember 1998 bei, die die Angaben der Klägerin zur Arbeitsbelastung im Wesentlichen bestätigte.
In der arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 27. Februar 2002 führte der Arzt für Arbeitsmedizin Dr. E aus, bei der BK nach Nr. 2105 handele es sich um eine chronische Erkrankung der Schleimbeutel durch ständigen Druck. Bei der BK-typischen Expositionssituation handele es sich um eine von außen kommende direkte Druckbelastung der Schleimbeutel. Nicht in Betracht komme eine Kompression als Folge von gleichförmigen Bewegungs- und Hebeabläufen. Bei dem Arbeitsplatz der Klägerin handele es sich um einen ergonomisch ungünstigen Arbeitsplatz, der in der Gefährdungsanalyse vom 03. Dezember 1998 in den Risikobereich 3 (wesentlich erhöhte Belastung, körperliche Überbeanspruchung auch für normal belastbare Personen möglich, Gestaltungsmaßnahmen sind angezeigt) eingestuft worden sei. Es sei demnach anzunehmen, dass die degenerativen Veränderungen in den beiden Schultergelenken vorwiegend eine Folge der langjährigen Elevationsbewegungen unter Last seien. In der Liste der Berufskrankheiten finde sich allerdings für das Krankheitsbild keine entsprechende Position, so dass eine BK 2105 nicht bejaht werden könne.
Die Gewerbeärztin U empfahl in ihrer Stellungnahme vom 04. Juli 2002 die Weiterführung des Verfahrens unter der BK Nr. 2101.
Der beigezogene Befund einer Röntgenuntersuchung beider Schultergelenke vom 22. Januar 2001 ergab im Vergleich zur Untersuchung vom 08. Dezember bzw. 15. Dezember 1999 unverändert den Nachweis ausgeprägter periartikulärer Weichteilverkalkungen im Sinne der Periarthritis calcarea humeroscapularis. Die Knochen- und Gelenkverhältnisse seien unau...