Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialversicherung. Versicherungspflicht. Modedesignerin. Erstellung und Vermarktung von Entwürfen von Bekleidungsstücken und Accessoires. Anerkennung als Künstlerin in einschlägigen Fachkreisen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die eigenständige Vermarktung eigener Entwürfe durch eine Modedesignerin hindert nicht ihre Anerkennung als Künstlerin im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes.

2. Die zu fordernde "Anerkennung in einschlägigen fachkundigen Kreisen" erfordert nicht eine Anerkennung durch Angehörige der sämtlichen verschiedenen Sparten der bildenden Kunst; erforderlich ist nur eine Anerkennung im Rahmen der eigenen Berufsgruppe, hier der Modedesigner.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin als selbständige Modedesignerin in der Künstlersozialkasse (KSK).

Die im Jahre 1974 geborene Klägerin studierte von 1998 bis 2002 an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft B Bekleidungsgestaltung und ist seit November 2002 Diplom-Designerin. Im Jahr 2003 gründete sie mit drei weiteren Designerinnen eine Gesellschaft, die P GbR, deren Gesellschaftszweck laut § 1 des Gesellschaftsvertrags der Betrieb eines Modeateliers war, wobei die vier Gesellschafterinnen gleichberechtigt waren. Die Gesellschaft fertigte zwei Damen- und Herren-Modekollektionen pro Jahr; die Klägerin entwarf u.a. die gemusterten Textilien, Kollektionsteile und Strickteile, konzipierte die Kollektionen und war im Rahmen von Präsentation und Werbung tätig. Die Gesellschaft betrieb ein kleines Ladengeschäft, in dem die aktuelle Kollektion zu besichtigen war; außerdem wurden die Kollektionen auf Modemessen und Modenschauen präsentiert. Der Verkauf einzelner Kleidungsstücke erfolgte ausschließlich in Boutiquen. Für die handwerkliche Herstellung der Kollektionen beauftragte die Gesellschaft Fachbetriebe. Vereinzelt wurden auch Entwürfe für Bekleidung und für Kostümarbeiten für Filme verkauft. Zum 31. Dezember 2009 stellten die vier Gesellschafterinnen das Modelabel ein.

Die P GbR gewann u.a. im Juni 2003 den B& BB Foundationpreis und im Juni 2004 den B Fashion Experience. Außerdem fand das Modelabel Erwähnung in verschiedenen Publikationen (z.B. “Berlin Fashion„, Dumont-Verlag; “Young European Fashion Designers„, 2007; Veröffentlichung des Goethe-Instituts 2005, “Die Mode-Wundertüte„; Broschüre “Designmai Kongress 2009„, Vortrag der Klägerin zum Thema “Über Kleider„).

Am 1. Dezember 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) für die Zeit ab Oktober 2004. Sie fügte dem Antrag im Laufe des Verwaltungsverfahrens mehrere Bestellbelege, Presseveröffentlichungen und Kopien von Einladungen zu Ausstellungen und Modenschauen bei.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2005 lehnte die Beklagte die Feststellung von Versicherungspflicht in der KSK mit der Begründung ab, dass die Tätigkeit der Klägerin in erster Linie von handwerklichen Aspekten geprägt sei. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung begründeten solche Tätigkeiten keine Versicherungspflicht in der KSK.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, dass Modedesign ein so genannter Katalogberuf sei und ihre Arbeit durch die Anfertigung von Entwürfen geprägt sei, nicht von der handwerklichen Näharbeit.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 2. August 2005 zurück. Es handele sich nicht um eine reine künstlerische Designertätigkeit. Eine Abgrenzung zwischen Kunst und Kunsthandwerk sei danach vorzunehmen, ob der Betroffene in einschlägigen, fachkundigen Kreisen als Künstler anerkannt und behandelt werde. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Zudem sei entscheidend, dass die Wertschätzung nicht allein aus der gestalterischen Idee, sondern aus dem handwerklichen Produkt erzielt werde.

Mit ihrer beim Sozialgericht erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass eine Abgrenzung von Kunst und Handwerk unerheblich sei, da sich ihre Tätigkeit auf eine reine Entwurfstätigkeit beschränke. Nur bei der Einzelanfertigung müsse eine Abgrenzung anhand der Anerkennung in Künstlerkreisen erfolgen. Des Weiteren beziehe sie ihre Wertschätzung durch die Gestaltung der Kollektion und durch die handwerkliche Umsetzung. Letztere erfolge in beauftragten Unternehmen. Das Design der Firma P stehe im Vordergrund: Die Stücke würden gekauft, weil sie gut aussähen, nicht nur weil sie handwerklich gut gefertigt seien. Zu Ausstellungen im Ausland (Japan, Frankreich) sei die Firma P bereits ohne Bewerbung eingeladen worden; bei diesen Modedesign-Ausstellungen habe es sich nicht um Verkaufsmessen gehandelt.

Das Soziagericht hat der Klage durch Urteil vom 31. August 2007 stattgegeben, die ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge