Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Beiladung. Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Kostenerstattung. intrazytoplasmatische Spermainjektion

 

Orientierungssatz

1. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ist bei einem Rechtsstreit über die Kostenerstattung einer intrazytoplasmatischen Spermainjektion nicht beizuladen.

2. Die "Richtlinien über künstliche Befruchtung" iVm § 27a Abs 4 SGB 5 legen verbindlich fest, welche Methoden der künstlichen Befruchtung Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums sind. Einem Versicherten ist damit der Einwand abgeschnitten, die ICSI-Methode sei gleichwohl zweckmäßig und werde in ihrem konkreten Falle zum Erfolg führen (vgl BSG vom 16.9.1997 - 1 RK 28/95 = BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 und BSG vom 16.9.1997 - 1 RK 32/95 = BSGE 81, 73 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7).

3. Ein angeblich fehlerhaftes Beschlußverfahren des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen rechtfertigt es nicht, daß anstelle des Bundesausschusses das Gericht darüber entscheidet, ob die ICSI-Methode zu den Leistungen der Krankenbehandlung gemäß § 27a Abs 1 SGB 5 zählt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) als Zusatztherapie zur In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Embryo-Transfer (ET) gegen die Beklagte hat.

Die ... 1966 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, beantragte am 29. Mai 1998 die Kostenübernahme für eine ICSI-Behandlung. Sie fügte eine ärztliche Stellungnahme von Dr. med. K (Frauenärztliche Gemeinschaftspraxis Dres. K und P, H) vom 26. Mai 1998 bei, in der es heißt, bei dem Ehepaar bestehe aufgrund einer hochgradigen andrologischen Fertilitätsstörung keine ausreichende Aussicht auf Erfolg bei einer Sterilitätstherapie mit herkömmlichen Methoden. In solchen Fällen sei häufig die ICSI erfolgreich und könne dem Ehepaar zu einer Schwangerschaft verhelfen. Diese Art der Behandlung sei für das Ehepaar die einzig verbleibende Möglichkeit, eine eigene Schwangerschaft zu erzielen.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) im Lande Bremen ein, der darin ausführte, es handele sich bei der ICSI zur Zeit noch um eine forschende Medizin. Das Therapieverfahren könne noch nicht statistisch zufriedenstellend beurteilt werden und die Frage nach den Mißbildungsmustern sei noch nicht ausreichend geklärt. Der Arbeitskreis "Richtlinien über künstliche Befruchtung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sei noch nicht zu einer abschließenden Stellungnahme gekommen; am 1. Oktober 1997 habe er beschlossen, daß die ICSI derzeit keine Methode der künstlichen Befruchtung sei.

Mit Bescheid vom 9. Juni 1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie bezog sich auf die Stellungnahme des MDK im Lande Bremen und verwies auf die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 1. Oktober 1997, die sich wie folgt zusammenfassen ließen: 1) Die vorliegenden Daten erlaubten auch weiterhin noch keine zuverlässigen Aussagen über die Mißbildungshäufigkeit nach ICSI und deren Vergleich mit der natürlichen Mißbildungshäufigkeit; die zur ICSI vorgelegten Studien wiesen zum Teil gravierende methodische Fehler auf. 2) Es ergäben sich jedoch im Sinne eines erkennbaren Trends Anhaltspunkte für eine Erhöhung der Mißbildungshäufigkeit nach ICSI im Vergleich zu der natürlichen Mißbildungshäufigkeit. Eine Erhöhung der Mißbildungshäufigkeit bis zur Größenordnung einer Verdoppelung lasse sich anhand der vorliegenden Daten nicht ausschließen. 3) Aus medizinischer Sicht müsse jedem Paar vor Durchführung einer ICSI eine humangenetische Untersuchung und Beratung angeboten werden, die eine individuelle Risikoabschätzung ermöglichen solle.

Die Klägerin legte am 20. Juli 1998 Widerspruch ein, den sie damit begründete, die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid entsprächen nicht dem tatsächlichen Stand der medizinischen Wissenschaft. Die ICSI-Methode sei eine weit verbreitete und anerkannte Behandlungsmethode der künstlichen Befruchtung. Ein erhöhtes Mißbildungsrisiko sei nicht nachweisbar. Anerkannte medizinische Einrichtungen empfählen ausdrücklich diese Methode als Zusatzmaßnahme zur IVF, insbesondere die Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Nach einer gutachtlichen Äußerung des Frauenarztes Dr. med. W vom 14. Februar 1997 in einem Sozialgerichtsverfahren handele es sich bei der streitigen Methode um keine forschende Medizin. -- Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 1998, Bl. 14 bis 16 Verwaltungsakte).

Die Klägerin hat mit am 26. Oktober 1998 beim Arbeitsgericht Bremerhaven eingegangener Klageschrift Klage beim Sozialgericht (SG) Bremen erhoben. Sie hat am 26. Mai 1998/18. Juli 1998 eine ICSI-Behandlung durchführen lassen und von der Beklagten den Rechnungsbetrag in Höhe von DM 2.688,2...

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