Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 bzw. Nr. 1310 BKV
Orientierungssatz
1. Die Berufskrankheit (BK) Nr. 1302 BKV - Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe - zählt zu den BKen, die durch chemische Einwirkungen verursacht werden. Zu den wesentlichen Krankheitsbildern, die durch halogene Kohlenwasserstoffe hervorgerufen werden, zählen Störungen des zentralen Nervensystems, Nieren- und Lebererkrankungen.
2. Sind derartige Krankheitsbilder bei dem Versicherten nicht feststellbar, sondern lediglich eine leichte Leberzellverfettung, so ist die Anerkennung einer BK nach Nr. 1302 BKV ausgeschlossen.
3. Zu den Gefahrstoffen der BK Nr. 1310 - Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylarylsulfide - gehört u. a. Tetrachlordibenzodioxin (TCDD). Bei TCDD-exponierten Personen besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für ischämische Herzkrankheiten, aber nur dann, wenn diese zur höchstbelasteten Gruppe gehören. Zählt der Versicherte nicht dazu und liegt eine ganze Reihe außerberuflicher konkurrierender Faktoren vor, so ist eine Anerkennung der BK Nr. 1310 der BKV ausgeschlossen.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Berufskrankheiten (BK) nach den Nummern 1302 und 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten - Verordnung (BKV).
Der 1941 geborene und im Jahr 2014 verstorbene frühere Kläger (Versicherter) war von 1956 bis 1966 als Maler beschäftigt, von 1967 bis 1977 als Chemiefacharbeiter bei der Firma B. (im Folgenden: B.) und danach als Kesselwärter und Anlagenfahrer bei der N. (jetzt A.) tätig. Wegen einer im September 1973 festgestellten Leberschädigung stellte der Versicherte erstmals 1974 einen Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26. März 1975 ab.
Mit Schreiben vom 5. März 2006 stellte der Versicherte erneut einen Antrag auf Feststellung einer Berufskrankheit, den er mit Befindlichkeitsstörungen, Veränderungen des Fettstoffwechsels, Veränderungen der Blutgefäße und drei Schlaganfällen begründete. Diese Leiden seien auf die belastende Tätigkeit bei der Firma B. zurückzuführen. Nach Auswertung der Ermittlungen der Beklagten empfahl deren Beratungsarzt, Dr. P., eine Berufskrankheit nicht anzuerkennen. Dieser Empfehlung schloss sich die staatliche Gewerbeärztin an. Mit Bescheid vom 10. August 2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1302 der Anlage zur BKV (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) bzw. Nr. 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylarylsulfide) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Versicherte nach dem Untersuchungsbericht der Universität M. aus dem Jahr 1992 einer erhöhten Exposition gegenüber 2,3,7,8-TCDD (Tetrachlordibenzodioxin) bei der Firma B. ausgesetzt gewesen sei, dass diese Stoffe aber nicht geeignet seien, die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu verursachen. Die geklagten Befindlichkeitsstörungen könnten eventuell mit der beruflichen Tätigkeit bei der Firma B. in Zusammenhang stehen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Befindlichkeitsstörungen und der beruflichen Tätigkeit nachgewiesen werden könne. Ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang gehe aus den zahlreichen eingeholten medizinischen Unterlagen jedoch nicht hervor. Die zusätzlichen Gesundheitsstörungen, wie Nasenbluten und Magengeschwüre, die der Versicherte im laufenden Verfahren benannt habe, würden nach derzeitigem Erkenntnisstand ebenfalls nicht durch 2,3,7,8-TCDD oder HCH (Hexachlorcyclohexan, ein Halogenkohlenwasserstoff ("Lindan")) verursacht.
Der Versicherte legte gegen diesen Bescheid, der am 14. August 2006 zur Post gegeben wurde, am 11. September 2006 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei dem Versicherten liege kein typisches Erkrankungsbild der BK 1302 oder BK 1310 vor, sodass eine Berufskrankheit nicht anerkannt werden könne.
Mit Schreiben vom 24. Dezember 2006 hat der Versicherte am 28. Dezember 2006 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben, mit der er sein Begehren auf Anerkennung einer Berufskrankheit weiterverfolgt. Er habe seine Tätigkeit bei der Firma B. allein aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben und sei damals laufend in ärztlicher Behandlung gewesen, auch wenn ihm der Nachweis darüber heute kaum noch möglich sei. Seine damalige Ärztin habe dies der Beklagten auch angezeigt, die schweren Giftwirkungen der in dem Betrieb aufgetretenen Schadstoffe seien damals aber wohl noch nicht bekannt gewesen. Um eine erneute Anstellung nicht zu gefährden, habe er sich auch nicht wegen einer Dioxin-Vergiftung in Behandlung begeben, sondern allgemeine Gesundheitsstörungen vorgebracht. 1986 seien bei ihm anlässlich einer auch von der Beklagten mitveranlasst...