Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung einer Depression als weitere Folge einer nach Nr. 1310 BKV anerkannten Berufskrankheit
Orientierungssatz
Für die Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folge einer anerkannten Berufskrankheit gilt hinsichtlich des erforderlichen Ursachenzusammenhangs die Theorie der wesentlichen Bedingung. Macht der Versicherte als Folge der anerkannten Berufskrankheit Nr. 1310 BKV - Erkrankungen durch halogenisierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide - eine bestehende Depression geltend, so spricht das Fortschreiten einer schädigungsunabhängigen psychischen Erkrankung des Versicherten lange Zeit nach Expositionsende mehr gegen als für den erforderlichen Ursachenzusammenhang. Dies gilt erst recht dann, wenn die für die chronische Lösungsmittelbelastung typischen Störungen der Impulskontrolle oder der Affektlabilität fehlen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung von Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet als Folgen der anerkannten Berufskrankheit nach der Nr. 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide) der Anlage 1) zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie nach Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der Anlage 1) zur BKV.
Der am 1. Februar 1952 in Jugoslawien geborene Kläger war in dem Zeitraum von 1973 bis 1984 nacheinander als Chemiewerker bei der Firma B. im Betriebsteil einer Reingamma-Station und später bei der Nachfolgefirma B. und Sohn tätig. Der Arbeitsmediziner Dr. P. erstattete am 9. März 1999 eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit, da der Kläger an einem Schilddrüsen-Karzinom erkrankt und dem Stoff TCDD (2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin) ausgesetzt gewesen sei. Darüber hinaus beklagte der Kläger Kopfschmerzen, Schwindel, gelegentliche Übelkeit, Angstzustände, chronische Reizzustände der Atemwege und Hautreizungen mit Pickeln.
Der Arbeitgeber teilte in einem Schreiben vom 12. Mai 1999 mit, dass der Kläger als angelernter Chemiearbeiter im Rein-Gammabetrieb gearbeitet habe, welcher räumlich mit dem Roh-Gammabetrieb verbunden gewesen sei. Dadurch sei er über die Raumluft mit den dortigen Arbeitsstoffen in Verbindung gekommen. Es seien hohe Konzentrationen von Benzolrestgasen, HCH (Hexachlorcyclohexan) mit allen Isomeren (u. a. Lindan) als Dämpfe und Feststoffe, Menthol und Chlorwasserstoffe vorhanden gewesen. Die Raumluftstoffe hätten damals nicht einzeln gemessen werden können. Über eine Exposition mit TCDD hätten damals keine Erkenntnisse vorgelegen.
Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. teilte mit, dass der Kläger am 4. August 1999 bei ihr in Behandlung gewesen sei. Es hätten eine Depressivität und Ängstlichkeit vorgelegen. Im Testverfahren seien Aufmerksamkeit, Konzentration und visuelle Merkfähigkeit erschwert gewesen. Es habe auch ein Restless-Legs-Syndrom bestanden.
Im Rahmen eines am 14. März 2000 erstellten neurophysiologischen Befundberichtes nahm die Diplompsychologin W. auf, dass der Kläger bereits in dem Zeitraum zwischen 1973 bis 1984 unter Kopfschmerzen gelitten habe. Später sei er in verschiedenen Firmen im Bereich der Nahrungsmittelherstellung tätig gewesen. Nach und nach habe er Stimmungsveränderungen bemerkt, sei reizbar und sensibel geworden. Seit ca. zehn Jahren habe er ein Kribbeln in den Füßen. Dies trage zu Ein- bzw. Durchschlafproblemen bei. In der neuropsychologischen Untersuchung hätten sich Beeinträchtigungen in Form von Verlangsamung, Antriebsmangel, Abrufdefiziten des Gedächtnisses, Überforderung bei hoher Komplexität, Mangel an Flexibilität bzw. Denkvermögen beschreiben lassen. Das Ausmaß der Defizite sei ungewöhnlich hoch im Hinblick auf eine hirnorganisch-toxische Verursachung, so dass eine Konfundierung mit einer deutlich depressiven Symptomatik bzw. psychischen Labilität stark anzunehmen sei. Kausal hierfür sei sowohl wiederum an eine toxische als auch psychisch-reaktive Genese zu denken und der Einfluss des operierten Schilddrüsentumors zu berücksichtigen. Eine deutliche Aggravationstendenz liege nicht vor.
Der Facharzt für Neurologie Prof. Dr. Z. erklärte in seinem Gutachten vom 22. März 2000, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen den damals begonnenen und jetzt geklagten Beschwerden des Untersuchten, einschließlich der im neuropsychologischen Untersuchungsverfahren festgestellten Besonderheiten und der toxischen Einwirkung von Dioxin- und HCH-Belastung bestehe. Es habe sich eine Reihe von neurologisch relevanten Defiziten mit genügender Wahrscheinlichkeit abgrenzen lassen. Diese Defizite beträfen eine sensible Polyneuropathie leichteren Ausmaßes, Schwindel und Kopfschmerzbeschwerden mit organischem Hintergrund, eine Störung der Ves...