Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Gewaltopferentschädigung. Mobbing und Gewalt in der Schulzeit. Glaubhaftmachung. Konkretisierung eines tätlichen Angriffs. Hänseleien, Drohungen, Beinstellen sowie sozialübliche Rangeleien und Schubsereien unter Schulkindern nicht ausreichend

 

Orientierungssatz

1. Mobbing durch Mitschüler, welches nicht über Hänseleien, Schubsereien oder Beinstellen hinausgeht, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG (vgl BSG vom 14.2.2001 - B 9 VG 4/00 R = BSGE 87, 276 = SozR 3-3800 § 1 Nr 18).

2. Die Mitteilung des Vaters an die Schulbehörde, dass sein Sohn zum “Prügelknaben der ganzen Klasse„ geworden sei und bis zu zehn Kinder ihn gemeinsam angriffen, wo sie ihn nur sehen würden, reicht zur Konkretisierung eines tätlichen Angriffs - selbst unter Zugrundelegung der Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG - nicht aus. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei nur um Hänseleien, verbale Drohungen sowie unter Schulkindern sozialübliche Rangeleien und Schubsereien gehandelt hat (vgl zu letzteren BSG vom 8.11.2007 - B 9/9a VG 3/06 R = SozR 4-3800 § 1 Nr 11).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.05.2016; Aktenzeichen B 9 V 11/16 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. April 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG i.V.m. dem BVG.

Der 1969 geborene Kläger hat bis 1988 die Schule besucht. Eine Berufsausbildung hat er nicht absolviert. In Berichten des Neurologen Dr. I. vom 10. März 1988 und 12. Dezember 1988 wurde der Kläger aufgrund einer schweren neurotischen Depression und Verdachts auf eine hirnorganische Erkrankung als nicht wehrdienstfähig beurteilt. Mit Erstbescheid vom 8. September 1998 und Folgebescheid vom 11. Mai 1999 stellte das Versorgungsamt Hildesheim einen Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 100 aufgrund einer seelischen Behinderung rückwirkend ab dem 1. Januar 1988 fest und erkannte gleichzeitig die Merkzeichen “G„, “B„ und “H„ zu. Aufgrund fehlender Mitwirkung des Klägers im Rahmen einer Überprüfung sind der GdB sowie die Merkzeichen allerdings zwischenzeitlich mit Bescheid vom 18. Juli 2013 entzogen worden.

Am 21. Dezember 2004 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Darin machte er geltend, dass seine seelischen Gesundheitsstörungen durch diverse in der Schule erlittene Gewalttaten verursacht worden seien. So sei er in seiner Schulzeit andauernd geschlagen, gestochen, getreten und zudem von Lehrern gemobbt worden. Des Weiteren sei er von der Familie J. erpresst und bedroht, vom Hund eines Herrn K. aus L. angegriffen und von einem Herrn M. aus L. zusammengeschlagen worden. Zudem liege noch eine Strafsache gegen den Arzt N. u.a. wegen Körperverletzung vor. Der Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft Hannover betreffend die Strafverfahren gegen Marianne und Reinhold J., N. und O. bei. Auf deren Inhalt einschließlich der Einstellungsverfügungen vom 30. August 2004, 14. Juni 2004, 26. Februar 2002 und 30. Oktober 2000 wird Bezug genommen. Des Weiteren zog der Beklagte medizinische Unterlagen betreffend den Kläger von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) sowie aus dem Schwerbehindertenverfahren bei. Mit Bescheid vom 21. Juni 2005 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff sei weder in Bezug auf die Eheleute J. noch auf Herrn P. oder Herrn M. festzustellen. Darüber hinaus habe den Angaben des Klägers kein weiterer konkreter Angriff entnommen werden können. In seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Gesundheitsstörungen seien zum größten Teil durch die Schule entstanden. Ergänzend trug er mit Schreiben vom 24. April 2006 vor, er sei im vergangenen Jahr in den Geschäftsräumen der Firma Q. genötigt, beleidigt und durch einen Hund bedroht worden. Nach Beiziehung und Auswertung der diesen Vorgang betreffenden Akten der Staatsanwaltschaft einschließlich der Einstellungsverfügung vom 7. April 2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2007 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger sich mit seiner am 24. Juli 2007 bei dem Sozialgericht Hannover erhobenen Klage gewandt und hier geltend gemacht, dass Grund seiner Behinderung die Schulzeit sei. Er sei von der ersten Klasse bis zur Oberschule dauernd von seinen Mitschülern und auch Lehrern geschlagen, getreten, gestochen und geschubst worden. Er sei zudem psychisch gemobbt und es sei sein Eigentum beschädigt worden. Dazu hat der Kläger eine Kurzbeurteilung des Arztes für Psychotherapie und Psychodiagnostik Dr. R. vom 10. Dezember 2008 vorgelegt. Das Sozialgericht hat ergänzend einen Befundbericht dieses ...

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