Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2301. Lärmschwerhörigkeit -Tinnitus. arbeitstechnische Voraussetzung. lang- bzw mehrjährige Lärmeinwirkung mit einem Tages-Lärmexpositionspegel von ≪ 85 db(A). Einzel-Schallspitzen: Nichterreichen des Grenzwertes von 150-165 db (C). medizinische Voraussetzungen. Königsteiner Empfehlungen. Bodenabfertiger eines Offshore-Helikopterservice
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung eines beruflichen Hörschadens (Tinnitus) eines Bodenabfertigers für einen Offshore-Helikopterservice, der ca 14 Monate einem Lärmpegel am Arbeitsplatz von etwa 90 db (A) ausgesetzt war, als Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2301 mangels Vorliegens der arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen.
2. Nach dem vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat des BMAS aktualisierten Merkblatt zur BK 2301 und der aktuellen unfallversicherungsrechtlichen Literatur (ua Königsteiner Empfehlung) sind für die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit eine lang- bzw mehrjährige Lärmeinwirkung mit einem Tages-Lärmexpositionspegel von ≪ 85 db(A) Voraussetzung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aurich vom 1. April 2020 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine bei dem Kläger vorliegende Hörstörung eine Berufskrankheit (BK) im Sinne der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ist.
Mit einer am 13. Februar 2017 erstatteten „Ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf eine BK“ teilte der den Kläger behandelnde HNO-Arzt Dr. I., J., der Beklagten mit, dass bei dem K. geborenen Kläger ein „extremer Tinnitus beidseits zunehmend bei in den ersten Monaten nicht ausreichendem Hörschutz“ festgestellt worden sei. Dieser sei am 19. Dezember 2016 erstmals aufgetreten. Als gefährdende Tätigkeit sei eine „Lärmarbeit: Starten der Helikopter“ zu bezeichnen, und zwar für einen „Heli-Service“. Ein Tonaudiogramm (Messdatum 13. Februar 2017/4. Januar 2017) war der Anzeige beigefügt.
In dem daraufhin eingeleiteten BK-Feststellungsverfahren befragte die Beklagte den Kläger zunächst zu dessen beruflichen Lebenslauf (1986 bis 1990 und 09/2010 bis 02/2016 - Kfz-Mechaniker bei verschiedenen Arbeitgebern; 02/1997 - Filmvorführer; 05/1997 bis 03/1998 - Bauarbeiter im L.; 07/1999 - 09/2010 - diverse Tätigkeiten u.a. Sortierarbeiten, Autofahren, Anbringen von Autoteilen, Folien anbringen/Rotorblätter befestigen bei verschiedenen Arbeitgebern; 06/2016 bis 12/2017 - Groundhandling bei der Firma M. International) sowie die hierdurch entstandenen Lärmbelastungen (ausführliche Arbeitsbeschreibung vom 12. Juni 2017 zur Tätigkeit bei der Firma N. Service International mit Verweis u.a. auf lärmintensive Hubschrauber 3 AW 139, 2 AW 169, 1 Sikorsky S76B, BK und 1 Bo 105 während der Überwachung des Start- und Landevorgangs mit Zurverfügungstellung eines falschen Gehörschutzes während der ersten Monate) und dessen Ohrgeräusche, die sich erstmals am 19. Dezember 2016 in Form eines ständigen hohen Tons bemerkbar gemacht hätten.
Ferner zog die Beklagte medizinische Unterlagen von dem den Kläger behandelnden Arzt Dr. I. bei und holte eine Auskunft von der Firma N. Service GmbH zu den dortigen Hubschraubermodellen vom 13. September 2017 ein.
Des Weiteren holte die Beklagte eine Stellungnahme des Präventionsdienstes der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik vom 5. Dezember 2017 ein, der nach einer telefonischen Rücksprache mit dem Kläger am 27. November 2017 für dessen bei der Firma O. GmbH ausgeübte Tätigkeiten als PKW-Fahrer im Autoumschlag, Kfz-Mechaniker und Lascher keine lärmgefährdende Tätigkeiten annahm (u.a. Beurteilungspegel von 83 dB(A), 81 dB(A) und 78 dB(A)) und des eigenen Präventionsdienstes vom 12. September 2017 und 26. Januar 2018, der für die Tätigkeiten des Klägers für die Firma N. Service (06/2016 bis 07/2017) eine Lärmbelastung von ≥ 85 dB(A) und 90 bis 92 dB(A) sowie für dessen weitere Tätigkeiten ≪ 85 dB(A) errechnete.
Ferner wertete die Beklagte die eingeholten Tonaudiogramme selbst aus und stellte keinen lärmbedingten Hörverlust bei einer lediglich siebenmonatigen Lärmeinwirkung fest.
Daraufhin lehnte sie mit Bescheid vom 7. März 2018 die Feststellung einer BK-Nr. 2301 wegen fehlender arbeitstechnischer und medizinischer Voraussetzungen ab.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 28. März 2018 Widerspruch, den er zusammenfassend dahingehend begründete, dass der bei ihm festgestellte Hörschaden auf seine berufliche Tätigkeit bei der Firma N. Service zurückzuführen sei, und zwar aufgrund seiner ständigen Präsenz an den Helikoptern, bei der es teilweise keine Ruhephasen gegeben habe, da sein Kollege für einige Monate krankgeschrieben gewesen sei. Er habe deshalb Urlaubssperre gehabt. Zudem habe er in den ersten Monaten einen falschen Gehörschutz zur Verfügung...