Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 1302. haftungsausfüllende Kausalität. Wahrscheinlichkeit. Multiple Sklerose. Maschinenschlosser
Orientierungssatz
Zur Nichtanerkennung einer Multiplen Sklerose eines Maschinenschlossers, der beruflichen Kontakt zu Halogenkohlenwasserstoffen, insbesondere Trichlorethylen hatte, als Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 1302 mangels Vorliegens der haftungsausfüllenden Kausalität.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger an einer Berufskrankheit leidet und die Beklagte verpflichtet ist, ihm eine Verletztenrente zu zahlen.
Der ... 1955 geborene Kläger war vom 1. Februar 1971 bis 11. August 1974 als Maschinenschlosser-Lehrling bei der Maschinenfabrik ... beschäftigt. Seit dem 12. August 1974 ist er als Maschinenschlosser bei der ... tätig (unterbrochen durch Wehrdienst von April 1976 bis Juni 1977).
Am 25. Juli 1994 teilte der Betriebsrat der ... der Beklagten mit, es bestehe der Verdacht, dass der Kläger durch Einwirkung von Trichlorethylen gesundheitliche Schäden erlitten habe. Er beantragte die Einleitung eines Feststellungsverfahrens wegen einer Berufskrankheit. Der Kläger selbst gab in einem Fragebogen vom 21. September 1994 an, erstmals habe sich die Erkrankung im Jahr 1988 bemerkbar gemacht, als er im Bereich der rechten Hand Sensibilitätsstörungen empfunden habe; betroffen seien nunmehr der rechte Arm, die rechte Hand, das rechte Bein und die Blase.
Die Beklagte zog die den Kläger betreffende Gutachtenakte von der Landesversicherungsanstalt (LVA) ... eine Auskunft der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) ... vom 5. Dezember 1994 über Mitgliedschafts- und Erkrankungszeiten des Klägers und von dem Zentralkrankenhaus ... einen Entlassungsbericht vom 16. November 1993 (mit einem Ergänzungsbericht vom 1. Dezember 1993) bei. In diesen Berichten wird der Verdacht auf eine Entmarkungserkrankung (Multiple Sklerose - MS -) geäußert. Ferner holte die Beklagte einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. med. W vom 19. Oktober 1994 ein (mit ärztlichen Unterlagen).
In einem Fragebogen vom 26. Oktober 1994 gab die Maschinenfabrik ... an, der Kläger sei während seiner Tätigkeit vom 1. Februar 1971 bis 11. August 1974, als er mit der Fertigung von Maschinenteilen beauftragt gewesen sei, keinen lösemittelhaltigen Arbeitsstoffen ausgesetzt gewesen. Die ... gab in einem Fragebogen vom 9. Februar 1995 an, der Kläger habe seit dem 12. August 1974 Maschinenarbeiten an Bord von Reparaturschiffen verrichtet und im Rahmen von Reinigungsarbeiten an Maschinenteilen mit chlorhaltigen Reinigungsmitteln wie Trichlorethen Kontakt gehabt (pro Arbeitstag 2 Stunden).
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten erstellte eine Arbeitsplatzanalyse vom 3. April 1995, die er nach Stellungnahmen des Landesgewerbearztes Dr. med. H vom 8. Juni 1995 und des Beratungsarztes der Beklagten, des Facharztes für Chirurgie Dr. med. D vom 27. Juni 1995 in einer weiteren Arbeitsplatzanalyse vom 20. November 1995 und, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 28. April 1996 seine Arbeitstätigkeiten geschildert hatte, nochmals mit Arbeitsplatzanalysen vom 4. April 1996 und 3. Juli 1996 ergänzte. In der Arbeitsplatzanalyse vom 3. Juli 1996 führte der TAD nach Rücksprache mit dem Kläger aus, dieser habe während seiner Tätigkeit als Maschinenschlosser innerhalb der Schiffsreparatur seit dem 12. August 1974 nach seinen Angaben täglich etwa 2 Stunden Reinigungsarbeiten ausgeführt, davon etwa 60 v. H. in schlecht belüfteten Räumen und 40 v. H. im offenen Bereich. Bei Arbeiten am Propeller und Ruder hätten zeitweise Umgebungsexpositionen durch Farbspritzarbeiten der Maler bestanden; der Unterwasser-Schiffsbereich sei mit Antifouling-Farben (bis etwa 1988 arsenhaltig) konserviert worden. Neben den Reinigungsarbeiten habe der Kläger einmal wöchentlich während einer halben Schicht Rissprüfungen im Bereich Wellenanlage und Ruderschaft ausgeführt. Hierzu sei zunächst die Oberfläche mit Reinigungsmitteln besprüht und gereinigt worden und anschließend sei ein Farbeindringmittel mit der Spraydose aufgetragen worden. Im Jahr 1977 habe der Kläger über mehrere Wochen im Rahmen einer Bohrinsel-Reparatur ausschließlich Rissprüfungen durchgeführt. Bei Reinigungsarbeiten an Bord seien zusätzliche Belastungen durch Brenn- und Schweißarbeiten in nächster Umgebung aufgetreten; beim Ausbrennen von beschichteten Stahlplatten sei der Arbeitsbereich mit Schweißrauchen und -gasen angereichert worden. Die Lüftungssituation sei bis etwa 1990 völlig unzureichend gewesen. Für die Reinigungsarbeiten hätten erst ab 1985 geeignete Schutzhandschuhe zur Verfügung gestanden, in den ersten Jahren seien die Hände regelmäßig mit den Reinigungsmitteln gewaschen worden. Als Reinigungsmittel seien bis Dezember 1985 Trichlorethylen, von Januar 1986 bis Dezember 1990 Trichlorethan und seit dem 1. Januar 1991 PUR-Formenreiniger verwendet worden. Für bestimmte Reinigungsarbeiten seien zwischenzeitlich auch Perchlorethylen, Aceton und Nitro-...