Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlagebeschluss an das BVerfG. landwirtschaftliche Alterssicherung. Rentenberechnung. Nichtberücksichtigung von Beitragszeiten. Beitragslücke. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Auch Anwartschaften in der landwirtschaftlichen Alterssicherung fallen in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art 14 GG.
2. Der Gesetzgeber genügt nicht seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, für erbrachte Rentenbeitragsleistungen im Versicherungsfall adäquate Versicherungsleistungen zu gewährleisten, wenn er langjährigen Beitragszeiten eine Relevanz für die Berechnung der im Grundsatz beitragsabhängigen Rente allein deshalb gänzlich versagt, weil sich diesen Beitragszeiten Zeiträume ohne weitere Beitragsentrichtung angeschlossen haben.
3. § 90 Abs 1 S 1 und § 93 Abs 3 Nr 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASR-ÄndG; juris: ASRG 1995) vom 15.12.1995 (BGBl I 1995, 1814) verstoßen gegen die Grundrechte der Beitragslücken aufweisenden Versicherten aus Art 14 Abs 1 und 3 Abs 1 GG.
Orientierungssatz
1. Dem BVerfG wird gem Art 100 Abs 1 des GG folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Verstoßen § 90 Abs 1 S 1 und § 93 Abs 3 Nr 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) idF des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASR-ÄndG; juris: ASRG 1995) vom 15.12.1995 (BGBl I 1995, 1814) gegen die Grundrechte der Beitragslücken aufweisenden Versicherten aus Art 14 Abs 1 und 3 Abs 1 GG?
2. Az des BVerfG: 1 BvL 7/10.
Nachgehend
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem BVerfG wird gem. Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Verstoßen § 90 Abs. 1 Satz 1 und § 93 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASR-ÄndG vom 15. Dezember 1995, BGBl. I 1814) gegen die Grundrechte der Beitragslücken aufweisenden Versicherten aus Art. 14 Abs. 1 und 3 Abs. 1 Grundgesetz?
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe und den Beginn der dem 1938 geborenen Kläger von der beklagten landwirtschaftlichen Alterskasse gewährten Erwerbsminderungsrente.
Der am 9. September 1938 geborene Kläger entrichtete als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes Pflichtbeiträge zu landwirtschaftlichen Alterskasse im Zeitraum von Januar 1972 bis September 1984. Ab Oktober 1984 hatte sich die bewirtschaftete Fläche in einem solchen Maße reduziert, dass sein Betrieb nicht mehr die Mindestgröße und damit nicht mehr eine Existenzgrundlage im Sinne des § 1 des damaligen Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (vom 27. Juli 1957, BGBl. I 1063) aufwies. Damit entfiel die Beitragspflicht des Klägers gemäß §§ 1 und 12 GAL. Dies stellte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juli 1985 fest. Zugleich wies sie den Kläger darauf hin, dass er das Recht zur Fortführung der Alterssicherung durch freiwillige Beiträge nach § 27 GAL habe und eine entsprechende kontinuierliche Entrichtung freiwilliger Beiträge zur Sicherung seiner Rentenanwartschaften erforderlich sei. Diesen Hinweis wiederholte sie in einem weiteren Schreiben von Oktober 1985. Der Kläger hat jedoch keine freiwilligen Beiträge entrichtet.
Außer den vorstehenden genannten Pflichtbeiträgen sind für den Kläger im Zeitraum bis 1991 keine weiteren Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse entrichtet worden; namentlich ist für ihn niemals ein Beitrag als mitarbeitender Familienangehöriger bezahlt worden.
Von Januar 1992 bis Dezember 1997 führte der Kläger erneut einen - die Mindestgröße im Sinne von § 1 GAL bzw. § 1 Abs. 2 und 5 ALG überschreitenden - landwirtschaftlichen Betrieb. 1998/1999 gab er die Betriebsflächen - mit Ausnahme eines kleineren die Mindestgröße im Sinne des § 1 Abs. 2 und 5 ALG deutlich unterschreitenden Restbestandes - dauerhaft im Sinne des § 21 ALG ab.
Einen im September 1996 gestellten Erwerbsminderungsrentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 1997 ab, nachdem sie vergeblich den Kläger zur Vorlage weiterer Unterlagen aufgefordert hatte.
Einen weiteren formlos am 18. Juni 1998 und förmlich am 11. Januar 1999 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für Landwirte lehnte die Beklagte nach Einholung eines nur noch ein unter zweistündiges Erwerbsvermögen bejahenden Gutachtens des Sozialmediziners H. vom 23. Februar 1999 mit Bescheid vom 19. Oktober 1999 mit der Begründung ab, dass der Kläger die Abgabe seines landwirtschaftlichen Unternehmens nicht hinreichend nachgewiesen habe. Im Widerspruchsverfahren teilte die Beklagte, nachdem ihr weitere Unterlagen betreffend die Abgabe landwirtschaftlicher Flächen vorgelegt worden waren, mit Schreiben vom 27. Januar 2000 mit, dass nunmehr von der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens mit Ablauf des 6. Oktober 199...