Entscheidungsstichwort (Thema)
Renten- und Arbeitslosenversicherung. Versicherungs- und Beitragsfreiheit. Beamter auf Probe. Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Entlassung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein entlassener Beamter auf Probe in Zeiten versicherungsfrei war, in denen er während der aufschiebenden Wirkung der gegen die Entlassungsverfügung gerichteten Rechtsbehelfe bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Bestätigung der Entlassungsverfügung einstweilen weiterbeschäftigt worden ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers zur Rentenversicherung der Angestellten und zur Bundesanstalt für Arbeit für den Zeitraum vom 1. April 1975 bis 22. Juli 1983. Der Kläger begehrt zudem, ihm nach entsprechender Feststellung der Beitragspflicht Arbeitslosengeld zu gewähren.
Der 1932 geborene Kläger war vom 1. April 1971 bis 22. Juli 1983 Dienstangehöriger der beigeladenen Landwirtschaftskammer H. Während seiner Tätigkeit war er bis zum 15. Oktober 1972 Angestellter, ab 16. Oktober 1972 wurde er in ein Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Mit Ablauf des 31. März 1975 wurde der Kläger aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Dagegen erhob er Klage vor dem Verwaltungsgericht. Wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis wurde er bis zum 22. Juli 1983 von der Beigeladenen zu 3) unter Fortzahlung der Dienstbezüge als Beamter auf Probe weiterbeschäftigt (vgl Schreiben der Beigeladenen zu 3) vom 15. September 1983 an das Arbeitsamt Goslar). Mit Urteil vom 18. April 1983, das am 22. Juli 1983 rechtskräftig wurde, bestätigte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg die Rechtmäßigkeit der mit Ablauf des 31. März 1975 erfolgten Entlassung des Klägers.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 1986 stellte die Beklagte als Einzugsstelle gegenüber der Beigeladenen zu 3) und dem Kläger fest, daß der Kläger ab 1. April 1975 bis 22. Juli 1983 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten und der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Krankenversicherungspflicht habe nicht bestanden, weil die für Angestellte in der Krankenversicherung maßgebliche Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten worden sei. Die entsprechenden Beiträge seien, soweit sie nicht verjährt seien, ab 1. Dezember 1981 nachzuentrichten. Mit Bescheid vom 30. Oktober 1986 wurde von der Beigeladenen zu 1) entsprechend dem Antrag des Klägers die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen für die Zeit vom 1. April 1975 bis 30. November 1981 gemäß § 140 Abs 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zugelassen. Am 9. Dezember 1986 beantragte der Kläger bei dem Arbeitsamt G, ihm anstelle der gewährten Arbeitslosenhilfe Arbeitslosengeld zu zahlen. Diesen Antrag lehnte das Arbeitsamt ab, da das Beamtenverhältnis bis zur Rechtskraft des Urteils des OVG Lüneburg fortbestanden und der Kläger daher während der Dauer des Dienstverhältnisses bei der Beigeladenen zu 3) in keiner die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit begründenden Beschäftigung gestanden habe. Klage und Berufung des Klägers wurden mit Urteil des Sozialgerichts (SG) Braunschweig vom 22. März 1989 - S 7 Ar 180/88 - und Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 9. Oktober 1990 - L 7 Ar 134/89 - abgewiesen bzw zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus, der Kläger habe die erforderliche Anwartschaftszeit für Arbeitslosengeld nicht erfüllt, denn seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 3) sei auch für die Zeit ab 1. April 1975 bis zur endgültigen Entlassung als versicherungsfrei anzusehen.
Mit Bescheid vom 29. April 1987 stellte die Beklagte gegenüber den Beteiligten fest, daß der Kläger vom 1. April 1975 bis 22. Juli 1983 in einem nach § 6 Abs 1 Nr 3 AVG rentenversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden habe. Entsprechendes gelte gem § 169 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Die veränderte Rechtslage habe zur Folge, daß auch die Beschäftigungszeit vom 1. April 1975 bis 22. Juli 1983 gemäß den §§ 9, 124 AVG nachzuversichern sei. Die Beklagte berief sich dabei auf das Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 23. Juli 1986 - 1 RA 35/85 -. Den Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Bescheid vom 6. November 1992 zurück. Die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes vom 7. Oktober 1986 sei nach Maßgabe von § 45 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - SGB X - zulässig, weil kein Vertrauensschutz des Klägers nachvollziehbar sei. Die Erfüllung der Anwartschaft als Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder auf Arbeitslosenhilfe sei leistungsrechtlich nicht von der Entrichtung von Beiträgen oder einer Entscheidung der Einzugsstelle, sondern von der Ausübung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) abhängig.
Die von der Beigeladenen zu 1) zugelassene Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen wurde von ihr mit Beschei...