Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Bestimmung der billigen anwaltlichen Gebühr. Toleranzgrenze. Mittelgebühr. Normal-/Durchschnittsfall. Anfall und Bemessung einer fiktiven Terminsgebühr
Orientierungssatz
1. Die anwaltliche Gebührenbestimmung ist unbillig iS des § 14 Abs 1 S 4 RVG, wenn bei Anwendung der gesetzlichen Bestimmungskriterien eine Toleranzgrenze von 20% überschritten wird (vgl BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R = BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2).
2. Die Mittelgebühr ist die bei einem Normal-/Durchschnittsfall als billig zugrunde zu legende Gebühr. Dabei ist unter einem "Normalfall" ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt (vgl BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R aaO).
3. Zum Anfall und zur Bemessung einer sog fiktiven Terminsgebühr.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 07.11.2012 geändert. Die dem Beschwerdeführer für seine Tätigkeit im Verfahren S 17 AY 58/11 aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden auf 267,75 EUR festgesetzt. im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der von der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines Rechtsanwalts.
In dem erstinstanzlichen Klageverfahren S 17 AY 58/11 war streitig, ob die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger (einmalig) im Zusammenhang mit einer Krankenbehandlung entstandene Fahrtkosten in Höhe von 15,70 EUR zu erstatten. In dem am 27.06.2011 beim Sozialgericht anhängig gemachten Klageverfahren gab die Beklagte nach Kenntnisnahme der Klagebegründung am 06.09.2011 ein Anerkenntnis ab, welches der Kläger am 14.09.2011 annahm.
Am 27.09.2011 beantragte der dem Kläger im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen für das Beschwerdefahren nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG):
Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR
Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
zuzüglich 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 74,10 EUR
insgesamt: 464,10 EUR.
Mit Beschluss vom 27.09.2011 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts die Vergütung des Beschwerdeführers für das Klageverfahren auf insgesamt 196,35 EUR fest. Dabei berücksichtigte er für die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG einen Betrag von 95,00 EUR und für die Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG einen Betrag von 50,00 EUR. Zur Begründung führte der der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle aus, die vom Beschwerdeführer getroffene Bestimmung sei nicht verbindlich, weil sie unbillig sei. Die Bedeutung der Angelegenheit sei als ausgesprochen gering zu bewerten, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien allenfalls knapp durchschnittlich gewesen. Die Verfahrensgebühr sei daher in einer Höhe festzusetzen, die dem arithmetischen Mittel zwischen Mindest- und Mittelgebühr entspreche. Bei der (fiktiven) Terminsgebühr kommen nur die Festsetzung einer Gebühr im untersten Gebührenrahmen in Betracht. Insoweit könnten hier auch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nur als ausgesprochen gering angesehen werden. Bei der Beurteilung der Kriterien "Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit" seien Vergleichswerte heranzuziehen. In sozialgerichtlichen Verfahren seien Termine mit einer Dauer von circa 30 Minuten als durchschnittlich anzusehen. Hätte tatsächlich ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, hätte der Beschwerdeführer lediglich die Annahme des Anerkenntnisses erklären müssen. Der Termin zur mündlichen Verhandlung hätte somit nur wenige Minuten gedauert.
Mit seiner hiergegen eingelegten Änderung vom 05.10.2011 hat sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Herabsetzung der Gebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG gewandt. Grundsätzlich sei von der Mittelgebühr auszugehen. Dabei habe das Sozialgericht verkannt, dass die im Klageverfahren geltend gemachten Fahrtkosten einen nicht unerheblichen Teil der Regelleistungen an den Kläger ausgemacht hätten, so dass dessen wirtschaftliches Interesse daher erheblich gewesen sei. Zudem sei es um eine schwierige Rechtsfrage, nämlich die Frage der Gewährung von wiederkehrenden Sonderbedarfen im Rahmen des § 6 AsylbLG unter Anwendung der so genannten Aufnahmerichtlinie der Europäischen Union für besonders schutzbedürftige Personen, gegangen. Er werde bei der Verfahrensgebühr die Mittelgebühr gewählt, so müsse dies auch für die fiktive Terminsgebühr gelten (SG Hildesheim, Beschluss vom 12.03.2007 - S 12 SF 15/07).
Mit Beschluss vom 07.11.2011 hat das Sozialgericht die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.12.2010 aus den Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses zurückgewiesen.
Mit seiner Beschwerde...