Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Mindestbemessungsgrundlage für Selbständige. Verfassungsmäßigkeit. Einwand bzgl Finanzierung versicherungsfremder Leistungen

 

Orientierungssatz

1. Die Bestimmung des § 240 Abs 4 S 2 SGB 5 steht mit höherrangigem Recht in Einklang (vgl BVerfG vom 22.5.2001 = 1 BvL 4/96 = SozR 3 - 2500 § 240 Nr 39.

2. Bei der Beitragsbemessung hauptberuflich Selbständiger ist weder die Gleichbehandlung der Pflicht- und der freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung geboten (vgl BSG zuletzt vom 26.5.2004 - B 12 P 6/03 R = SozR 4 - 2500 § 224 Nr 1) noch ist der Einwand gerechtfertigt, mit den Beiträgen würden versicherungsfremde Leistungen finanziert (vgl BSG vom 9.10.1984 - 12 RK 18/83 = SozR 2200 § 385 Nr 10 und vom 21.2.1990 - 12 RK 51/89 = SozR 3-1500 § 54 Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 03.03.2006; Aktenzeichen B 12 KR 3/06 B)

 

Tatbestand

Die Klägerin, die als selbständige Dozentin tätig ist, trat mit Wirkung zum 01.01.2002 der beklagten Krankenkasse als freiwilliges Mitglied bei. Die Beklagte stufte sie in die Beitragsklasse C5P 676 (niedrigste Beitragsklasse mit Anspruch auf Krankengeld für Selbständige) ein mit einem monatlichen Beitrag in der Krankenversicherung von 272,61 Euro und in der Pflegeversicherung von 29,90 Euro (Bescheid vom 12.12.2001; Widerspruchsbescheid vom 07.08.2003).

Die Klägerin hat am 19.08.2003 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, da sie ein Einkommen von weniger als 75 % der monatlichen Bezugsgröße nachgewiesen habe, dürfe die Beklagte sie nicht nach einer entsprechenden Mindesteinnahme einstufen. § 12 Abs. 9 der Satzung der Beklagten sehe vor, dass unter Beachtung versicherungsrechtlicher Grundsätze eine abweichende Einstufung möglich sei. Unter Anwendung dieser Vorschrift müsse eine Einstufung wie bei einer Angestellten erfolgen. Als Privat-Dozentin für die Fächer Englisch und Deutsch sei auf dem deregulierten Bildungsmarkt die Erwirtschaftung eines angemessenen Einkommens unmöglich. Es müsse daher eine Dozentensozialkasse entsprechend der Künstlersozialkasse geschaffen werden, in die eine dritte Seite die hälftigen Beiträge einzuzahlen habe. Zu fordern sei die Gleichbehandlung aller Personen dadurch, dass je versichertem Mitglied ein eigener Beitrag erhoben werde. Es sei unangemessen, dass aus Beiträgen Sozialleistungen für Versicherte finanziert würden, die keinen eigenen Beitrag zahlten. Solche Versicherungsleistungen seien durch das Steueraufkommen zu decken.

Das SG hat nach Abtrennung des Rechtsstreits über die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung die Klage mit Urteil vom 06.10.2004 abgewiesen. Es hat die Klage als unzulässig angesehen, weil die Klägerin mit ihrem Anliegen politische Ziele verfolge.

Gegen das ihr am 14.10.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.11.2004 Berufung eingelegt. Sie fühlt sich in ihrer besonderen beruflichen Situation diskriminiert, wobei ihre chronische Erkrankung sie zusätzlich wirtschaftlich belaste. Soweit sich das Bundessozialgericht (BSG) zur Beitragshöhe Selbständiger verhalten und auf Vorteile der Selbständigen verwiesen habe, sei dies aus wirtschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Es sei anzuregen, Experten aus Wirtschaft und vergleichbaren Berufen beratend zu hören.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Dortmund vom 06.10.2004 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Da die Berufsrichter des Senats übereinstimmend dieser Auffassung sind und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachten, weist der Senat die Berufung im Beschlussverfahren (§ 153 Abs. 4 SGG) nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten zurück.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Beitragsbescheides zu, weil die Beitragseinstufung der Klägerin zu Recht erfolgt ist. Allerdings ist entgegen der Auffassung des SG die Klage nicht unzulässig. Die Klägerin hat ihre politische Argumentation herangezogen, um die aus ihrer Sicht diskriminierende Beitragsbelastung zu belegen. Sie hat darüber hinaus aber auch die Ansicht vertreten, dass schon die Satzung der Beklagten eine günstigere Einstufung rechtfertige, was das SG übergangen hat.

Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet. Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) gelten für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mi...

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