Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme von Fahrtkosten in Ausübung des Umgangsrechts durch den Grundsicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Die Kosten des Umgangsrechts stellen keinen eigenständigen von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar. Sie sind vielmehr jeweils vom Antrag eines Antragstellers auf Fortbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 mit umfasst, wobei unerheblich ist, dass der Härtefall oder Mehrbedarf nach § 21 Abs. 2 SGB 2 erst nach Erlass des Bewilligungsbescheides entstanden ist.

2. Bei den Kosten des Umgangsrechts ist zu unterscheiden zwischen den Ansprüchen des umgangsberechtigten Elternteils und denen des Kindes gegenüber dem Leistungsträger. Nicht ausschlaggebend ist, wem die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts unterhaltsrechtlich zuzuordnen sind. Anspruchsinhaber für seine Kosten ist der jeweilige Bedürftige.

3. Sind dem Kind Fahrtkosten zur Wahrnehmung seines Umgangsrechts mit einem Elternteil entstanden, so handelt es sich nicht um einen Bedarf des Elternteils, sondern des Kindes, mit der Folge, dass dieser vom Elternteil gegenüber dem Grundsicherungsträger nicht geltend gemacht werden kann.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 04.11.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die am 00.00.1974 geborene Klägerin ist geschieden und wohnt mit ihrem am 00.00.2000 geborenen Sohn E zusammen. Ihr am 00.00.1996 geborener Sohn E1 wohnt bei seinem Vater in I. Die Klägerin bezieht für ihren Sohn E Kindergeld sowie eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i.H.v. 123,00 EUR mtl ... Sie übt eine Erwerbstätigkeit aus.

Die Klägerin bezieht zusammen mit ihrem Sohn E Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 25.03.2010 beantragte sie bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend: Beklagter) die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.04.2010. Sie beantragte u.a. die Gewährung eines Zuschusses für die Fahrtkosten ihres Sohnes E1 bei der Wahrnehmung des Umgangsrechtes sowie die Übernahme der Unterkunftskosten für den Sohn E1 während seines Aufenthaltes in der Zeit vom 26.03. bis 05.04.2010. Durch Bescheid vom 26.04.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.06.2010 gewährte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und ihrem Sohn E, Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04. bis 31.10.2010.

Am 07.05.2010 reichte die Klägerin dem Beklagten Belege über die angefallenen Fahrtkosten ihres Sohnes E1 für die Zeit vom 24.01.2009 bis 07.05.2010 ein. Sie trug vor, dass ihr Sohn E1 bis zum Herbst 2008 bei ihr gelebt habe und sodann zu seinem Vater übergesiedelt sei. Seit der Übersiedlung zahle sie die Fahrtkosten für die Umgangskontakte mit ihrem Sohn E1. Die Umgangskontakte seien gerichtlich nicht geregelt. Ihr geschiedener Ehemann beteilige sich nicht an den Fahrtkosten. Er behaupte, dass er sich im Insolvenzverfahren befinde und weigere sich zu zahlen. Er zahle auch an ihren Sohn E keinen Unterhalt. Sie könne für ihren Sohn E1 die Gewährung von Fahrtkosten bei dem Jobcenter I nicht beantragen, da sie nicht in dessen Zuständigkeitsbereich wohne. Sie sei mit ihrem geschiedenen Ehemann heftig zerstritten. Es habe ein Gewaltschutzverfahren gegen ihren geschiedenen Ehemann gegeben. Sie beziehe Leistungen nach dem OEG aufgrund von körperlichen Übergriffen ihres geschiedenen Ehemannes.

Am 29.09.2010 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.10.2010, u.a. die Übernahme der Fahrtkosten oder Zugkosten für ihren Sohn E und sie selbst nach I zwecks Ausübung des Umgangsrechtes. Durch Bescheid vom 05.10.2010 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und ihrem Sohn E, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum 01.10.2010 bis 31.03.2011 vorläufig. Durch Bescheid vom 28.01.2011 übernahm der Beklagte die Fahrtkosten, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts mit seinem Vater anfallen, für die Klägerin und ihren Sohn E dem Grunde nach für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.03.2011.

Durch Bescheid vom 28.01.2011 lehnte der Beklagte die Übernahme der dem in I bei seinem Vater wohnenden Sohn E1 zur Wahrnehmung des Umgangsrechts entstehenden Fahrtkosten ab. Er führte aus, dass es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Bedarf nicht um einen Bedarf der Klägerin oder einer in deren Bedarfsgemeinschaft lebenden Person, sondern um einen Bedarf von E1 bzw. dessen Vater als Unterhaltspflichtigem außerhalb der Bedarfsgemeinschaft handele. Der Sohn E1 habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in I, so dass der Beklagte nach § 36 Satz 1 SGB II nicht zuständig sei.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie trug vor, dass familienrechtlich üblicherweise derjenige die Fahrtkosten erstatten müsse, der die Umgangskontakte wahrnehme. Daher sei sie verpflichtet, die Fahrtkosten zu zahlen. Insoweit verweise sie auf den vor dem Amtsger...

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