Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Anhörungsrüge des Bezirksrevisors bei der Festsetzung des Prozesskostenhilfe-Vergütung
Orientierungssatz
1. Das Sozialgericht hat die Prozesskostenhilfevergütung auf die Anhörungsrüge des Bezirksrevisors neu festzusetzen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht gegeben ist und der Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist.
2. Der Bezirksrevisor ist als Vertreter der Staatskasse ein mit eigenen Rechten ausgestatteter Beteiligter in dem Verfahren auf Festsetzung der PKH-Vergütung. Er ist kein verwaltungsinterner Revisor, sondern er kann sich im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren auf eine eigene Rechtsstellung und dieselben prozessualen Rechte berufen wie der beteiligte Rechtsanwalt.
3. Übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 200.- €. nicht, wurde der Bezirksrevisor am Verfahren nicht beteiligt und ist nicht auszuschließen, dass die Rechtsanwaltsgebühren anders festgesetzt worden wären, so ist die Verletzung des Gehörsanspruchs des Bezirksrevisors auch entscheidungserheblich.
4. Der Anfall einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, weil für dessen Durchführung eine mündliche Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben ist.
5. Das Entstehen einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG setzt eine über die Einlegung und Begründung eines Rechtsbehelfs hinausgehende besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus. Beruht eine Abhilfeentscheidung des Antragsgegners nicht auf einem besonderen Tätigwerden des Anwalts oder auf von diesem im Eilrechtsschutz beigebrachten Beweismitteln, so ist eine Erledigungsgebühr nicht angefallen.
Tenor
Die Beschwerde der Bevollmächtigten des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Dortmund vom 19.02.2010 und 31.01.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Streitig ist die Höhe der nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren.
Der Antragsteller war ab dem 13.11.2008 arbeitsunfähig und erhielt nach Ende der Entgeltfortzahlung von der Antragsgegnerin ab 25.12.2008 Krankengeld. Mit Bescheid vom 09.04.2009 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass eine Untersuchung beim MDK ergeben habe, dass er ab dem 10.04.2009 wieder arbeitsfähig sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über den 09.04.2009 hinaus könne nicht akzeptiert werden. Die Antragsgegnerin stellte die Krankengeldzahlung ein. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, woraufhin die Antragsgegnerin den Bescheid vom 09.04.2009 für sofort vollziehbar erklärte.
Am 19.05.2009 beantragte der Antragsteller - ab dem 26.05.2009 anwaltlich vertreten -, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, "für die Zeit seit dem 10.04.2009 für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld zu zahlen". Die Bevollmächtigte des Antragstellers begründete den Antrag unter Beifügung ärztlicher Unterlagen sowie Darlegung der dem Antragsteller für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel. Der Antragsteller beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das einstweilige Rechtsschutzverfahren, die mit Beschluss vom 24.06.2009 unter Beiordnung der Bevollmächtigten bewilligt wurde.
Aufgrund einer weiteren Untersuchung durch den MDK am 09.06.2009 erkannte die Antragsgegnerin Arbeitsunfähigkeit bis zum Untersuchungstag an. Sie teilte dem Antragsteller mit Bescheid vom 10.06.2009 mit, seinem Widerspruch werde abgeholfen und Krankengeld werde bis zum 09.06.2009 gezahlt.
Mit Schriftsatz vom 15.06.2009 erklärte der Antragsteller das Verfahren für erledigt und beantragte Kostenentscheidung zu Lasten der Antragsgegnerin. Mit Beschluss vom 19.02.2010 verpflichtete das Sozialgericht die Antragsgegnerin, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Bevollmächtigte des Antragstellers beantragte die Festsetzung folgender Vergütung aus der Staatskasse (Schreiben vom 15.07.2009):
Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV/RVG) 170 EUR
Terminsgebühr (Nr. 3106 VV/RVG) 100 EUR
Erledigungsgebühr (Nr. 1006 VV/RVG) 130 EUR
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV/RVG) 20 EUR
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV/RVG) 79,80 EUR
Gesamt 499,80 EUR
Der Urkundsbeamte setzte die Vergütung wie folgt fest (Beschluss vom 28.07.2009):
Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV/RVG) 170 EUR
Terminsgebühr (Nr. 3106 VV/RVG) 100 EUR
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV/RVG) 20 EUR
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV/RVG) 55,10 EUR
Gesamt 345,10 EUR
Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, da es an einer besonderen Mühewaltung der Bevollmächtigten an der unstreitigen Erledigung des Rechtsstreites gefehlt habe.
Gegen diese Entscheidung, die nur der Bevollmächtigten des Antragstellers, nicht aber dem Vertreter der Staatskasse übersandt wurde, legte die Bevollmäch...