Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einer auf Messen und Sportveranstaltungen eingesetzten Hostess

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Ist eine Hostess zu Werbezwecken auf Messen und Sportveranstaltungen von ihrem Auftraggeber eingesetzt, sind dabei Arbeitsort, -zeit, -dauer und Aufgabenbereich festgelegt, besteht Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber und erfolgt die Vergütung nach Stundensätzen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

3. Diese Beurteilung wird bestätigt beim Fehlen einer eigenen Betriebsstätte und eines unternehmerischen Risikos.

4. Ein Unternehmerrisiko ist nicht aus einer vereinbarten Haftung auf Schadensersatz bei Schlechtleistung abzuleiten. Eine Haftung für Pflichtverletzungen ist für Arbeitnehmer nicht untypisch.

5. Hat der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nach § 28f Abs. 1 SGB 4 nicht ordnungsgemäß erfüllt und kann deshalb die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, so kann der Rentenversicherungsträger im Wege der Schätzung durch den Erlass eines Summenbescheides die Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags festsetzen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 22.5.2014 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 10.3.2014 wird abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 28.204,84 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin vom 10.3.2014, mit dem diese die Antragstellerin auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nebst Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 112.819,35 Euro in Anspruch nimmt.

Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen, welches u.a. die Gestellung von Hostessen für Messen, Werbeaktionen und Motorsportveranstaltungen zum Gegenstand hat. Die Hostessen werden von der Antragstellerin über Internetplattformen angeworben, wobei in der Folge Verträge zwischen der Antragstellerin und den jeweiligen Hostessen abgeschlossen werden. Die Antragstellerin betreibt selbst keine eigenen Messestände. Die Bezahlung der Hostessen erfolgt durch die Antragstellerin. Diese verfügte nicht über eine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit zur Arbeitnehmerüberlassung.

Statusfeststellungsverfahren gem. § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in den Jahren 2003 und 2013 hinsichtlich der Tätigkeiten der sog. "Grit-Girls" (2003) und einer Messehostess (2013) endeten jeweils ohne eine verfahrensabschließende Statusentscheidung.

Im September 2010 erhielt die Antragsgegnerin eine Kontrollmitteilung des Finanzamtes N nach § 31a Abgabenordnung, mit der dieses den als "Auftrag" bezeichneten Vertrag zwischen der Antragstellerin und Frau M Z vom 6.6.2010 über die Tätigkeit als "Fair Supporter" im Rahmen der Veranstaltung "J, Projektdauer: 9.-11.6., 8.00-18.00 Uhr, Briefing am 8.6., 15 Uhr" mit den Aufgabenbereichen

- Empfang und Prospektausgabe

- Gästebetreuung mit leichtem Service (Getränke & Fingerfood)

- Sampling von Goody Bags mit Fußball WM-Fan-Artikeln

übersandte. Auf den weiteren Vertragsinhalt wird Bezug genommen.

Auf die im März 2013 durchgeführte Betriebsprüfung hin vertrat die Antragsgegnerin gegenüber den Steuerberatern der Antragstellerin anlässlich der am 25.3.2013 durchgeführten vorläufigen Schlussbesprechung die Auffassung, dass hinsichtlich der Hostessen, die eigene Rechnungen schrieben, eine Sozialversicherungsfreiheit weder aus dem bekannten Tätigkeitsfeld der Hostessen noch aus den vorgelegten Verträgen zu begründen sei.

Dieser Auffassung schloss sich die Antragstellerin vertreten durch ihre Steuerberaterin in ihrer Stellungnahme vom 28.3.2013 zum Protokoll der vorläufigen Schlussbesprechung nicht an. Sie vertrat die Ansicht, dass die Annahme von Sozialversicherungspflicht bezüglich der Hostessen wegen des bestehenden Unternehmerrisikos unzutreffend sei. Sie trügen das Risiko, das jeder Unternehmer trage, dass sie sich ihre Aufträge selber verschaffen müssten. Bei ausbleibenden Aufträgen liefen die Kosten weiter. Zum anderen trügen die Hostessen die Kosten für die Anreise zur Messe und ggf. anfallende Kosten für die Übernachtung am Messeort selber. Eine Erstattung von Reisekosten erfolge nicht. Weiter beinhalteten die Verträge, die die A...

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