Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einer für eine Eventagentur tätigen Werbeperson bzw. einem Model. Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbeitragsbescheides

 

Orientierungssatz

1. Sind die für eine Eventagentur tätigen Werbepersonen und Models gegenüber ihrem Auftraggeber weisungsgebunden und in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert, haben sie ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen und erfolgt die Vergütung nach einem vereinbarten Tagessatz, so ist von dem Bestehen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse auszugehen.

2. Hat der Auftraggeber seine Aufzeichnungspflichten nach § 28f Abs 1 SGB 4 nicht ordnungsgemäß erfüllt, so ist der Rentenversicherungsträger bei unverhältnismäßig großem Verwaltungsaufwand nach Abs 2 S 2 zum Erlass eines Summenbeitragsbescheides befugt.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.8.2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten in beiden Rechtszügen jeweils mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für den Berufungsrechtszug endgültig auf 112.819,35 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Betriebsprüfungsbescheides nach § 28p i.V.m. § 28f Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), mit welchem die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. insgesamt 112.819,35 EUR inklusive Säumniszuschlägen i.H.v. 31.424,00 EUR für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2011 nachfordert.

Die Klägerin betreibt eine Eventagentur und stellt Werbepersonal und Models für Ausstellungen, Konferenzen, Messen und Events in Deutschland und Europa zur Verfügung. Zudem bietet sie ausweislich ihrer Internetpräsenz Unterstützung durch Hostessen, Küchenpersonal/Kellner, Übersetzer, Werbemitarbeiter, Grit-Girls, Models und Moderatoren etc. an. Die Hostessen werden von der Klägerin über Internetplattformen angeworben. Die Klägerin selbst betreibt keine eigenen Messestände. Sie verfügt über keine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit zur Arbeitnehmerüberlassung.

Die Klägerin unterhielt im Streitzeitraum zwei Betriebsnummern (BTNR xx und BTNR xxx). Die Betriebsnummer xx wurde durch den klägerischen Steuerberater und die der Klägerin nach eigenen Angaben unbekannte Betriebsnummer xxx nach Auskunft der Beigeladenen zu 2) im November 2008 durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bayern-Süd im Rahmen einer Betriebsprüfung beantragt.

Im streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtete sich die Klägerin ausweislich der vorgelegten Teil- und Schlussrechnungen, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, gegenüber ihren Auftraggebern für konkret bezeichnete (Messe-)Veranstaltungen tageweise (Messe-)Hostessen und Hosts zur Verfügung zu stellen. Dafür stellte sie üblicherweise einen Tagessatz für neun Stunden i.H.v. 139,00 EUR zzgl. einer Organisationsgebühr von 50,00 EUR und ggf. angefallenen Überstunden i.H.v. 19,90 EUR bzw. teilweise 22,50 EUR pro Stunde in Rechnung. Je nach beauftragter Leistung kamen noch Kosten für ein Briefing hinzu (z.B. 18,00 EUR bzw. für eine Moderatorin 30,00 EUR). Ferner setzte die Klägerin für anderweitige Leistungen noch weitere Tages- bzw. Stundensätze an (z.B. Languagehostess Tagessatz 162,00 EUR, Bushostess 20,00 EUR pro Stunde, Carhostess 33,00 EUR pro Stunde, Assistent japanisch/deutsche Konversation 185,00 EUR pro Tag, Übersetzer japanisch/deutsch 250,00 EUR pro Tag und Moderatorin 150,00 EUR pro Tag, etc.).

Die von der Klägerin über Internetplattformen angeworbenen Personen schlossen zur Ausführung dergestaltiger Einsätze mit der Klägerin durch diese eingebrachte Formularverträge, die als Aufträge bezeichnet wurden. Mit diesen beauftragte die Klägerin sie für verschiedene konkret bezeichnete Veranstaltungen für deren Dauer (zumeist Zeiträume von wenigen Tagen) als sog. Fair Supporter mit einem jeweils definierten Aufgabenbereich, nämlich üblicherweise gemäß § 1 der Aufträge: Gästebetreuung mit leichtem Service (Getränke und Fingerfood) und Sampling von Goody Bags mit Fußball-WM-Artikeln, Empfang und Prospektausgabe (Sampling von Flyern und Give Aways), allgemeine Unterstützung des Standpersonals, Gästebetreuung, Verteilen der Messezeitung in den Hotels der Innenstadt, in den Shuttlebussen und am Messegelände, etc. Zudem wurde üblicherweise in § 1 der Aufträge geregelt, dass die Dienstleistung während der Öffnungszeiten der Veranstaltung zu erbringen war. Sollte die Auftragserfüllung nicht möglich sein, hatte der Auftragnehmer die Klägerin unverzüglich telefonisch zu informieren und anschließend schriftlich die Abwesenheit (z.B. durch einen Krankenschein) zu begründen. Im Falle der Zuwiderhandlung behielt sich die Klägerin vertraglich vor, den Auftragnehmer in Regress zu nehmen; teilweise wurde im Fall des Nichterscheinens auch eine Konventionalstrafe von 150,00 EUR fällig. Auch im Fa...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge