Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zur Gewährung einer Eingliederungsmaßnahme durch einstweiligen Rechtsschutz. Weiterbildung. Bildungsgutschein. Ermessensreduzierung auf Null. Einstellungszusage
Orientierungssatz
1. Bei der Übernahme von Kosten für eine Weiterbildungsmaßnahme i. S. von § 81 SGB 3 als Leistung zur Eingliederung nach § 16 Abs. 1 SGB 2 handelt es sich um eine Ermessensleistung.
2. Hat der Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung interne sog. ermessenslenkende Weisungen auf einen vom Wortlaut und Regelungsgehalt nicht umfassten Fall angewendet und auch deren analoge Anwendung nicht begründet, und darüber hinaus die in den Weisungen normierten Voraussetzungen zu Ungunsten des Antragstellers ohne Angabe von Gründen ausgeweitet, so hat er von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Dies hat zur Folge, dass die rechtswidrig ergangene Entscheidung aufzuheben ist.
3. Ist aufgrund eines geklärten Sachverhalts nur eine einzige Ermessensentscheidung möglich, so ist bei einer Ermessensreduzierung auf Null und bei einem glaubhaft gemachten Anordnungsgrund der Grundsicherungsträger durch einstweiligen Rechtsschutz zur Gewährung der beantragten Eingliederungsmaßnahme zu verpflichten.
Normenkette
SGB II § 16; SGB III § 81; SGG § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.04.2014 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig einen Bildungsgutschein zur Förderung der Teilnahme an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme zur Luftsicherheitsfachkraft bei der ASW zu erteilen.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen.
Dem Antragsteller wird für das Ausgangsverfahren und das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwältin K aus F beigeordnet.
Gründe
I.
Der 1955 geborene Antragsteller steht im Leistungsbezug beim Antragsgegner. Am 13.02.2014 beantragte der Antragsteller die Förderung der beruflichen Weiterbildung zur Luftsicherheitsfachkraft ab 26.02.2014 bei der Akademie für Sicherheit und Wirtschaft (ASW) GmbH durch die Erteilung eines Bildungsgutscheines. Er legte eine Einstellungszusage der Firma L GmbH vor. Insoweit wird auf den Inhalt der Zusage vom 09.01.2014 verwiesen.
Mit Bescheid vom 27.02.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Zur Ausübung des Ermessens im Rahmen des nach § 16 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) iVm § 81 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) habe der Antragsgegner "Ermessenslenkende Weisungen" erlassen. Danach sei eine Förderung des Bildungszieles Luftsicherheitskontrollkraft nur möglich, wenn ein gültiger Arbeitsvertrag für eine Vollzeitbeschäftigung vorliege und dieser den allgemeinen tariflichen Bedingungen entspreche. Der Arbeitsvertrag müsse bei einer Befristung für mindestens ein Jahr gelten und es müsse ersichtlich sein, dass die Teilnahme an der zu fördernden Weiterbildungsmaßnahme Bedingung für die Gültigkeit sei. Dieser Vertrag liege vor. Zudem müsse aber nach den "Ermessenslenkenden Weisungen" eine vom Arbeitgeber unterzeichnete Zusatzvereinbarung vorliegen, in der dieser sich verpflichte, dem Antragsgegner die Fortbildungskosten zu erstatten, falls das Arbeitsverhältnis seitens des Arbeitgebers aus einem Grunde, welchen dieser zu vertreten hat, vor Ablauf eines Jahres gelöst werden sollte. Diese Zusatzvereinbarung habe der Antragsteller nicht vorgelegt. Daher sei eine dauerhafte berufliche Eingliederung nach der Teilnahme an der beruflichen Weiterbildung nicht hinreichend sicher im Sinne des § 81 Abs. 1 SGB III. Eine Förderung sei daher nicht möglich.
Der Antragsteller legte Widerspruch gegen den Bescheid ein und beantragte am 28.03.2014 den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt. Zudem liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, der Ausgang der Hauptsache sei abzuwarten. Die Einstellungszusage der Firma L GmbH sei unbefristet. Bei Obsiegen in der Hauptsache könne immer noch eine Förderung erfolgen. Nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit könne eine Einstellungszusage ohne eine entsprechende Zusatzvereinbarung keine Ermessensreduzierung auf Null begründen.
Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat die Anträge auf Erteilung des Bildungsgutscheines und Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 15.04.2014 abgelehnt. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor und auch ein Obsiegen in der Hauptsache sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Es bleibe dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, zu klären, ob die von dem Antragsgegner vorgenommene Ermessensausübung rechtmäßig sei, insbesondere, weil ansonsten eine Vorwegnahme der Hauptsache stattfinden würde.
Gegen den am 22.04.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 23.04.2014 Beschwerde eingelegt, sein Begehren weiter verfolgt und betont, dass er auch aktuell an den turnusmäßig stattfind...