Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung eines Betriebskostenguthabens gegenüber dem Vermieter des Grundsicherungsberechtigten als Einkommen
Orientierungssatz
1. Das in einer Betriebskostenabrechnung ausgewiesene Guthaben ist grundsätzlich als Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2 i. V. m. der Sonderregelung des § 22 Abs. 3 SGB 2 zu berücksichtigen. Insoweit stellt § 22 Abs. 3 SGB 2 eine die allgemeinen Vorschriften über die Einkommensanrechnung der §§ 11 ff. SGB 2 verdrängende Sonderregelung dar.
2. Ein Betriebskostenguthaben, das einem Leistungsempfänger nicht ausgezahlt wird, sondern mit aufgelaufenen oder künftigen Forderungen des Vermieters von diesem aufgerechnet wird, bewirkt einen wertmäßigen Zuwachs, weil es wegen der damit verbundenen Schuldbefreiung oder Verringerung anderweitiger Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzt (BSG Urteil vom 16. 5. 2012, B 4 AS 132/11 R).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.09.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Den Klägern werden Kosten gemäß § 192 Sozialgerichtsgesetz in Höhe von 225,00 Euro auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat November 2019.
Die Kläger bezogen vom Beklagten laufend Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 07.02.2019 bewilligte der Beklagte den Klägern auf deren Antrag vom selben Tag Leistungen für den Zeitraum vom 13.02.2019 bis zum 31.01.2020. Dabei berücksichtigte er neben der Regelleistung sowie einem Mehrbedarf für Alleinerziehende und Warmwassererzeugung als Bedarf für Unterkunft und Heizung die tatsächliche Grundmiete in Höhe von 355,20 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 75,99 Euro und Nebenkosten in Höhe von 152,01 Euro monatlich. Das Kindergeld für den Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) wurde als deren Einkommen angerechnet. Mit Änderungsbescheid vom 01.06.2019 nahm der Beklagte für die Zeit vom 01.07.2019 bis zum 31.01.2020 eine Neuberechnung der Leistungen vor, da das bezogene Kindergeld von 194,00 Euro pro Kind auf 204,00 Euro pro Kind erhöht wurde. Für den Monat November 2019 bewilligte der Beklagte für die Kläger einen monatlichen Gesamtbetrag in Höhe von 1.412,91 Euro, davon 583,20 Euro als Bedarf für Unterkunft und Heizung. Am 19.08.2019 reichten die Kläger die Betriebskostenabrechnung der Vermieterin der Kläger, der E Wohnen mbH (EWO), vom 05.08.2019 bei dem Beklagten ein. Ausweislich der Abrechnung waren im Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2018 Betriebskosten in Höhe von 1.761,55 Euro zu zahlen. Dem standen Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 1.824,00 Euro gegenüber, so dass sich ein Guthaben in Höhe von 62,45 Euro ergab. Im Schreiben der EWO teilte diese mit, dass die neue Gesamtmiete ab dem 01.10.2019 508,20 Euro (Grundmiete 355,20 Euro, Vorauszahlung Betriebskosten (NEU) 153,00 Euro) betrage. Abzüglich des Guthabens in Höhe von 62,45 Euro sei am 01.10.2019 einmalig eine Miete in Höhe von 445,75 Euro zu zahlen. Mit Änderungsbescheid vom 28.08.2019 berechnete der Beklagte die Leistungen unter Berücksichtigung der neuen Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 153,00 Euro für die Zeit vom 01.10.2019 bis zum 31.01.2020 neu. Unter Bezugnahme auf § 48 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II rechnete er das Guthaben in Höhe von 62,45 Euro aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2018 auf die Kosten der Unterkunft für November 2019 an, mit der Folge, dass eine Grundmiete in Höhe von 292,74 Euro (anstelle von 355,20 Euro) bei der Bedarfsberechnung zugrunde gelegt wurde. Für den Monat November 2019 bewilligte der Beklagte für die Kläger einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.349,46 Euro davon 519,75 Euro als Bedarf für Unterkunft und Heizung.
Am 30.09.2019 erhoben die Kläger gegen den Änderungsbescheid Widerspruch, den sie damit begründeten, dass nicht zu erkennen sei, weshalb der Beklagte das Guthaben im Monat November angerechnet habe. Es habe offenbar eine Anrechnung von fiktivem Einkommen stattgefunden.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung sei mit der Mietzinszahlung für den Monat Oktober 2019 verrechnet worden. Daher sei der wertmäßige Zuwachs zu diesem Zeitpunkt erfolgt. Die Anrechnung im Monat November 2019 entspreche den gesetzlichen Bestimmungen des § 22 Abs. 3 SGB II.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 09.01.2020 haben die Kläger am 12.02.2020 Klage beim Sozialgericht Dortmund erhoben. Zur Begründung führen sie aus, die Vermieterin der Kläger habe die Miete für den Monat Oktober 2019 mittels einer Aufrechnung herabgesetzt. Daher hätte der Beklagte für den Monat Oktober ...