Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines rechtmäßigen Summenbeitragsbescheides nach Schätzung der vom Arbeitgeber zu entrichtenden Versicherungsbeiträge durch den Rentenversicherungsträger
Orientierungssatz
1. Nach § 28f Abs. 2 S. 2 SGB 4 ist ein Summenbescheid rechtswidrig, wenn ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zuzuordnen ist.
2. Bei der Ermittlung von Schwarzarbeit, insbesondere auf dem Bau, dürfen die Ermittlungsbehörden sich nicht darauf beschränken, die Lohnquote zu schätzen, ohne zuvor ausermittelt zu haben, ob eine tatsachenfundierte Berechnung möglich ist (BGH Beschluss vom 10. 11. 2009, 1 St R 283/09).
3. Fehlen ausreichende Hinweise auf unbekannte Beschäftigte, so gilt dies gleichermaßen für konkrete Feststellungen dazu, dass und warum die von dem beitragspflichtigen Arbeitgeber erzielten Umsätze nicht mit den von dem Versicherungsträger namentlich bekannten Personen erwirtschaftet worden sind..
4. In einem solchen Fall ist der nach Schätzung durch den Rentenversicherungsträger erlassene Summenbescheid rechtswidrig ergangen und aufzuheben.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 24.1.2019 geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 15.3.2018 gegen den Bescheid vom 21.2.2018 angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Der Streitwert für das gesamte Verfahren wird auf 169.916,76 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 15.3.2018 gegen den Bescheid vom 21.2.2018 ist anzuordnen.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine - wie hier erfolgte - Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch für Säumniszuschläge (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 11.3.2016 - L 8 R 506/14 B ER - juris Rn. 49 m.w.N.).
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 11.3.2016 - L 8 R 506/14 B ER - juris Rn. 51 m.w.N.).
Tragen die vom prüfenden Rentenversicherungsträger getroffenen bzw. in verfahrensrechtlich zulässiger Weise verwerteten Feststellungen anderer Behörden (z.B. der Hauptzollämter) die beitragsrechtliche Bewertung des Sachverhalts im angegriffenen Bescheid nicht und sind zur Feststellung der Schlüssigkeit der Beitragsforderung noch umfangreiche, das Maß "ergänzender Feststellungen" überschreitende Ermittlungen erforderlich, sind überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides begründet. Einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines gegen den Bescheid erhobenen Rechtsbehelfs steht in diesem Fall auch nicht entgegen, dass sich der Bescheid unter Umständen aufgrund weiterer Ermittlungen doch noch im Ergebnis als rechtmäßig herausstellen kann (vgl. Senatsbeschl. v. 24.3.2017 - L 8 R 17/15 B ER - juris Rn. 4).
Auf dieser Grundlage ist im vorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin anzuordnen, weil die von der Antragsgegnerin getroffenen Feststellungen und angestellten Ermittlungen die von ihr im angegriffenen Bescheid angenommene Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 679.667,04 Euro einschließlich S...