Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den Anordnungsgrund zur Übernahme von Mietschulden des Hilfebedürftigen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB 2 durch einstweiligen Rechtsschutz ist u. a. ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Insoweit ist erforderlich, dass Wohnungs- und Obdachlosigkeit bei Versagung der geltend gemachten Grundsicherungsleistungen droht.

2. Ein Anordnungsgrund ist grundsätzlich bei Rechtshängigkeit einer Räumungsklage gegeben.

3. Hat das Amtsgericht daraufhin ein Versäumnisurteil erlassen und der Hilfebedürftige dagegen Einspruch eingelegt und der Vermieter sich zwischenzeitlich verpflichtet, aus dem Versäumnisurteil keine Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, wenn der rückständige Mietzins gezahlt wird, so ist der Grundsicherungsträger im Eilrechtsschutz zu verpflichten, den rückständigen Mietzins an den Vermieter auszuzahlen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.06.2014 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 22.11.2014 vorläufig die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 368,20 EUR monatlich zu zahlen. Die Zahlung erfolgt unmittelbar an die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft C eG. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt T aus C bewilligt.

Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten noch um die Gewährung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Mit Beschluss vom 23.06.2014 hat das Sozialgericht (SG) den Antragsgegner verpflichtet, vom 23.05.2014 bis 22.11.2014 der Antragstellerin zu 1) den Regelbedarf und den Mehrbedarf für Alleinerziehende bzw. ihrer 2002 geborenen Tochter, der Antragstellerin zu 2), den Regelbedarf nach § 23 Nr. 1 2. Alt. Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Das SG ist nach summarischer Prüfung davon ausgegangen, dass die 1967 geborene Antragstellerin zu 1) als rumänische Staatsangehörige nicht aufgrund von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Den weitergehenden Antrag, den Antragstellern einstweilen auch die Kosten der Unterkunft zu gewähren, hat das SG abgelehnt, weil kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Die Begleichung des laufenden Mietzinses könne nicht mehr die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 1, 2 Nr. 3 a/b, § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und damit die Sicherung der Wohnung bewirken. Zum einen sei die Zweimonatsfrist nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage abgelaufen. Zum anderen lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vermieterin die Begleichung der Mietschulden außerhalb der Schutzfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB akzeptiert und das Mietverhältnis fortsetzt.

Mit Bescheid vom 10.07.2014 hat der Antragsgegner den Antragstellern in Ausführung dieses Beschlusses vorläufig den Regelbedarf und den Mehrbedarf bzw. den Regelbedarf unter Anrechnung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit bzw. des Kindergeldes für den Zeitraum vom 23.05.2014 bis 22.11.2014 gewährt.

Mit der am 25.06.2014 erhobenen Beschwerde begehren die Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners, ihnen vorläufig Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Sie verweisen auf das Schreiben des Bevollmächtigten der Vermieterin vom 22.05.2014, wonach die Antragsteller in der Wohnung bleiben können, falls der Mietrückstand ausgeglichen und die laufende Miete gesichert wird.

Der Antragsgegner verweist auf die Ausführungen des SG im angegriffenen Beschluss.

II.

Die zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet.

Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden, § 86 b SGG in Verbindung mit den §§ 920 Absatz 2, 294 ZPO. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die...

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