Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zur darlehensweisen Übernahme von Mietschulden durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Zur Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz ist u. a. die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes erforderlich. Notwendig ist das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Soweit es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, ist bei nicht möglicher abschließender Prüfung aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden.

2. Die Übernahme rückständiger Mieten durch den Grundsicherungsträger zum Erhalt der Unterkunft ist geeignet, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile zu beseitigen. Hat sich der Vermieter der Wohnung verpflichtet, aus einem ergangenen Räumungsurteil keine Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, wenn der rückständige Mietzins gezahlt wird, so kann der Verlust der Wohnung durch die Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, vorläufig zur Begleichung der Mietschulden ein Darlehen zu gewähren, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes abgewendet werden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.04.2014 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin für die Forderung aus dem Mietverhältnis in Höhe von 5400,00 EUR vorläufig ein Darlehen zu gewähren. Die Zahlung ist unmittelbar an die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft C eG zu leisten.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt T aus C bewilligt.

Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

Die zulässigen Beschwerden sind begründet. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig zur Begleichung der Mietschulden ein Darlehen zu gewähren. Zudem war der Antragstellerin für beide Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1988, Az.: 2 B vR 174/88). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden, § 86 b SGG in Verbindung mit den §§ 920 Absatz 2, 294 ZPO. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B). Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches und des Grundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtssuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Verlagerung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen darf. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Soweit es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen bzw. wenn dies nicht möglich ist, auf der Basis einer Folgenabwägung auf Grundlage der bei summarischen Prüfung bekannten Sachlage entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, 830 ff. mit weiteren Nachweisen, Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Auflage 2012 zu § 86 b Rdnr. 29 a).

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Entgegen der Einschätzung des SG ist die Übernahme der rückständigen Mieten geeignet, schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, abzuwenden. Dem SG ist zwar zuzustimmen, dass die Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB zwischenzeitlich verstrichen ist und das Amtsgericht C zudem am 02.06....

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