Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. Verhandlung bzw Erörterung mehrerer Verfahren ohne förmliche Verbindung. Gebührenhöhe. Einigungsgebühr. Einbeziehung mehreren Verfahren in einen gemeinsamen Vergleich
Orientierungssatz
1. Werden ohne förmlichen Verbindungsbeschluss mehrere Verfahren zur Verhandlung bzw Erörterung aufgerufen und verhandelt, fallen in jeder Streitsache gesonderte Terminsgebühren an.
2. Für die Bestimmung der Höhe der Terminsgebühren ist der jeweils auf das einzelne Verfahren entfallende - insbesondere zeitliche - Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit im Termin maßgeblich. Ergibt sich aus der Niederschrift über den Termin keine andere Zuordnung, ist die Gesamtdauer des Termins gleichmäßig auf die aufgerufenen Verfahren aufzuteilen und der so errechnete Zeitaufwand an einer durchschnittlichen Terminsdauer vor den Sozialgerichten von 30 bis 50 Minuten zu messen (vgl LSG Essen vom 28.08.2020 - L 2 AS 480/20 B).
3. Bei einer gemeinsamen Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten ist die Einigungsgebühr für jedes Verfahren, das mit dem Vergleich erledigt wurde, gesondert festzusetzen. Die Aufteilung einer nur einmal festgesetzten Einigungsgebühr auf die weiteren Verfahren nach Bruchteilen ist nicht zulässig.
Tenor
Auf die Beschwerde des Bevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 30.11.2020 geändert.
Die der Firma Q GmbH zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 579,77 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung streitig.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens begehrte höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Insbesondere seien von ihrem Renteneinkommen die Beiträge zur Kfz-Versicherung abzusetzen. Zeitgleich waren drei weitere Verfahren anhängig, die einen anderen Bewilligungszeitraum bzw. Änderungsbescheide betrafen (S 11 SO 168/17, S 11 SO 106/18 und S 11 SO 118/18). Der Klägerin wurde mit Beschluss vom 01.10.2018 Prozesskostenhilfe bewilligt und der Prozessbevollmächtigte beigeordnet. Dieser trat seine Vergütungsforderungen aus seiner anwaltlichen Tätigkeit am 14.03.2018 an die Q GmbH ab. Am 18.06.2019 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt, in dem alle Verfahren gemeinsam erörtert wurden. In den Verfahren S 11 SO 106/18 und S 11 SO 118/18 nahm die Klägerin ihre Klagen und die PKH-Anträge zurück. Zur Erledigung des vorliegenden und des Verfahrens S 11 SO 168/17 wurde ein gemeinsamer Vergleich geschlossen. Der Termin dauerte insgesamt eine Stunde.
Der Prozessbevollmächtigte beantragte am 27.06.2019 die Festsetzung der Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse iHv 746,37 EUR. Dem liegt folgende Berechnung zugrunde:
Verfahrensgebühr 3102 VV RVG 300,00 EUR
Terminsgebühr 3106 VVG RVG 280,00 EUR
Einigungsgebühr 1006 VV RVG 300,00 EUR
Auslagenpauschale 7002 VV RVG 20,00 EUR
Fahrtkosten 7003 VV RVG 22,20 EUR
Abwesenheitsgeld 7005 VV RVG 25,00 EUR
Umsatzsteuer 7008 VV RVG 179,97 EUR
abzgl. Vorschuss - 380,80 EUR
Gesamt 746,37 EUR
Die Q GmbH stellte am 27.06.2019 einen Betrag in gleicher Höhe in Rechnung.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Vergütung des Prozessbevollmächtigten (Q) am 31.07.2019 auf 401,27 EUR fest. Dem liegt folgende Berechnung zugrunde:
Verfahrensgebühr 3102 VV RVG 300,00 EUR
Terminsgebühr 3106 VVG RVG 140,00 EUR
Einigungsgebühr 1006 VV RVG 150,00 EUR
Auslagenpauschale 7002 VV RVG 20,00 EUR
Fahrtkosten 7003 VV RVG 22,20 EUR
Abwesenheitsgeld 7005 VV RVG 25,00 EUR
Umsatzsteuer 7008 VV RVG 124,87 EUR
abzgl. Vorschuss - 380,80 EUR
Gesamt 401,27 EUR
Da gleichzeitig vier Verfahren verhandelt worden seien, sei die Terminsgebühr nur in Höhe der hälftigen Mittelgebühr von 140,00 EUR entstanden. Zur Erledigung von zwei Verfahren sei ein Gesamtvergleich geschlossen worden, so dass eine einheitliche Einigungsgebühr iHv 300,00 EUR entstanden sei. Diese werde auf beide Verfahren hälftig aufgeteilt. Zur Begründung hat der Urkundsbeamte u.a. diesbezüglich auf einen Beschluss des LSG NRW vom 06.10.2016 - L 19 AS 46/16 B verwiesen.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte am 09.10.2019 Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, die Terminsgebühr dürfe nicht gekürzt werden, wenn ein Vergleich geschlossen wurde. Der Vergleich solle gerade die Terminsdauer reduzieren und könne somit nicht gebührenmindernd berücksichtigt werden. Entgegen der vom Gericht vertretenen Auffassung sei auch für jedes Verfahren gesondert die Vergleichsgebühr festzusetzen. Die gemeinsame Protokollierung ändere nichts daran, dass es sich um einzelne Vergleiche handele.
Mit Beschluss vom 30.11.2020 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Die Gebühren seien rechtmäßig festgesetzt worden. Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten am 10.12.2020 zugestellt worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 23.12.2020 ei...