Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse. Zulässigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Krankenhausträger können mit den Krankenkassen durch Landesvertrag nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5 ein Aufrechnungsverbot in Fällen der Beanstandung sachlicher Art vereinbaren. Greift die Krankenkasse nicht die rechnerische Art der vom Krankenhausträger geltend gemachten Vergütung an, sondern bezweifelt sie die Notwendigkeit der Dauer der stationären Behandlung des Versicherten, so ist eine Aufrechnung entsprechend der nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5 zulässigen Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots bei Beanstandungen sachlicher Art ausgeschlossen.

2. Bestreitet die Krankenkasse nicht die Höhe einzelner Berechnungsfaktoren der Krankenhausforderung, sondern die grundsätzliche Berechtigung der Dauer einer stationären Behandlung oder dass Kosten für eine bestimmte Behandlungsmaßnahme des Krankenhauses überhaupt angesetzt werden können, so handelt es sich um eine Frage der sachlichen Prüfung. Diese wird von einem vereinbarten Aufrechnungsverbot erfasst.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.10.2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 13.450,90 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte mit einem Erstattungsanspruch gegen Vergütungsansprüche der Klägerin wegen stationärer Behandlungen aufrechnen durfte.

Die Klägerin ist Trägerin des St. F Hospitals I, das nach § 108 SGB V zugelassen ist. Die bei der Beklagten versicherte Frau E (Versicherte) wurde wegen der Implantation einer Hüfttotalendoprothese in dem Krankenhaus vom 04. bis 09.11.2005 stationär behandelt. Während der Operation am 04.11.2005 stellte sich heraus, dass die Versicherte an einer Blutgerinnungsstörung litt, so dass ihr postoperativ Blutgerinnungsfaktoren verabreicht werden mussten. Die Kosten hierfür beliefen sich auf insgesamt 31.836,00 EUR. Mit Schreiben vom 11.01.2006 übersandte sie der Beklagte eine entsprechende Rechnung. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 17.01.2006 darauf hin, die Klägerin sei vertraglich nicht berechtigt, derartige Medikamente abzurechnen und bat um Mitteilung, weshalb die Notwendigkeit der Medikamentengabe nicht schon bei der präoperativen Behandlung erkannt worden sei. Diese Anfrage beantwortete die Klägerin mit Schreiben vom 31.01.2006. Die Beklagte beglich die Rechnung am 04.04.2006. Mit Schreiben vom 10.04.2006 teilte sie dann der Klägerin mit, nach nochmaliger Prüfung des Sachverhalts und der Abrechnung habe sie festgestellt, dass die Medikamentenrechnung zu Unrecht beglichen worden war. Es handele sich um ein Zusatzentgelt, dass nicht individuell mit der Klinik vereinbart worden sei. Es bestünden auch keine Landesvereinbarungen, die eine Abrechnung des Zusatzentgeltes durch die Klinik zuließen. Da somit der Betrag von 31.836,00 EUR zu Unrecht angewiesen worden sei, werde sie den Betrag mit noch zu begleichenden Rechnungen der Klinik verrechnen. In dem Schreiben erklärt sie zugleich eine Aufrechnung im Behandlungsfall U i.H.v. 2.668,68 EUR. Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 02.05.2006 der Auffassung der Beklagten, dass das Zusatzentgelt nicht abrechnungsfähig sei. Die Blutererkrankung sei erst im Rahmen der Operation festgestellt worden. Die Abrechnung von Fallpauschalen oder Zusatzent-gelten sei im Rahmen einer Notfallbehandlung auch dann möglich, wenn diese im Budget nicht vereinbart worden seien. Sie halte daher eine Rückforderung des Betrages oder die Verrechnung mit anderen Behandlungsfällen für unzulässig.

Die Beklagte rechnete in der Folgezeit in den weiteren Behandlungsfällen M i.H.v. 1.802,20 EUR, Q i.H.v. 2.854,48 EUR und Q1 i.H.v. 2.038,42 EUR auf. Mit Schreiben vom 24.07.2006 widersprach die Klägerin den Aufrechnungen und wies darauf hin, dass nach dem Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V (Sicherstellungsvertrag) eine Verrechnung unzulässig sei. Im Übrigen bestehe auch der Vergütungsanspruch zu Recht, da das Zusatzentgelt auch dann abgerechnet werden könne, wenn eine entsprechende Vereinbarung nicht bestehe. In ihrem Antwortschreiben vom 23.08.2006 vertrat die Beklagte die Auffassung, der zwar gekündigte, aber weiter anwendbare Sicherstellungsvertrag sehe in § 15 Abs. 4 ausdrücklich vor, dass Beanstandungen rechtlicher und sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung in Form der Verrechnung geltend gemacht werden könnten. Sie nahm weitere Aufrechnungen vor gegen die Rechnung im Behandlungsfall T i.H.v. 1.765,91 EUR und gegen die Rechnungen im Fall L i.H.v. insgesamt 2.321,03 EUR. Insgesamt hat die Beklagte gegen Rechnungen der Klägerin i.H.v. 13.450,90 EUR aufgerechnet.

Mit der am 18.09.2006 erhobenen Klage hat die Klägerin diesen Betrag zzgl. Zinsen geltend gemacht. Zur Begründung hat sie unter Hinweis auf das Urteil des 5. Senats des LSG NRW vom 03.06.2006 (L 5 ...

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