Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. unwirtschaftliche Behandlung (hier: operative Entfernung weiterer Sentinel-Lymphknoten nach brusterhaltender Operation aufgrund Mammakarzinom). Behandlungsplanung. Prüfung wirtschaftlichen Alternativverhaltens. Fallzusammenführung

 

Orientierungssatz

1. Behandelt ein Krankenhaus einen Versicherten bei erforderlicher Krankenhausbehandlung in unwirtschaftlichem Umfang, so hat es nach §§ 17b KHG, 2 Abs 2, 7 S 1, 8 Abs 1 und 9 KHEntgG Anspruch nur auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten anfiele (vgl BSG vom 10.3.2015 - B 1 KR 3/15 R).

2. Eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs 3 S 1 der Fallpauschalenvereinbarung (juris: KFPVbg 2005) setzt voraus, dass ein Patient, für den eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer wieder aufgenommen wird (vgl BSG vom 10.3.2015 - B 1 KR 3/15 R).

3. Ob ein oder mehrere abzurechnende Behandlungsfälle vorliegen, ist allein danach zu beurteilen, ob die Behandlung durch das Krankenhaus zunächst abgeschlossen wurde. Eine erneute Aufnahme wegen derselben Erkrankung rechtfertigt nicht die Annahme, dass nur ein Behandlungsfall vorgelegen hat (vgl BSG vom 10.3.2015 - B 1 KR 3/15 R).

4. Ein Krankenhaus hat bereits bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und ggf zu nutzen. Hierbei hat es auch Vorsorge dafür zu tragen, dass ein für die weitere Behandlung uU notwendiger histologischer Befund zeitgerecht ausgewertet wird. Wird ein Versicherter vor der Auswertung eines histologischen Befundes entlassen, ist festzustellen, ob und ggf welche medizinischen Gründe das Krankenhaus hierzu bewogen haben (vgl BSG vom 10.3.2015 - B 1 KR 3/15 R).

5. Hier: Wiederaufnahme einer Versicherten zur operativen Entfernung weiterer Sentinel-Lymphknoten aus der Axilla nach brusterhaltender Operation und intraoperativer Radiotherapie aufgrund eines invasiv lobulären Mammakarzinoms.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 21.05.2015 geändert. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 5.340,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 03.04.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 10.680,46 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von vollstationären Krankenhausbehandlungen.

Die für die Behandlung von Versicherten zugelassene Klägerin, eine Anstalt öffentlichen Rechts, behandelte die bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten versicherte Q (im Folgenden: Versicherte 1) zunächst im Zeitraum vom 08.06.2005 bis zum 15.06.2005 vollstationär in ihrer Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe wegen eines invasiv lobulären Mammakarzinoms links (ICD-10: C50.4: Bösartige Neubildung: Oberer äußerer Quadrant der Brustdrüse). Bei der Versicherten wurde am 09.06.2005 eine brusterhaltende Operation durchgeführt. Dabei wurden zwei Sentinel-Lymphknoten aus der linken Axilla entnommen und es erfolgte eine intraoperative Radiotherapie. Die Klägerin ging dabei von folgenden Prozeduren aus:

- Partielle (brusterhaltende) Exzision der Mamma und Destruktion von Mammagewebe ohne axilläre Lymphadenektomie: Lumpektomie (ohne Hautsegment) - OPS 5-870.3

- Intraoperative Hochvoltstrahlentherapie - OPS 8-523.6

- Exzision einzelner Lymphknoten und Lymphgefäße axillär mit Radionuklidmarkierung (Sentinel-Lymphonodektomie) - OPS 5-401.11

- Exzision einzelne Lymphknoten und Lymphgefäße axillär mit Farbmarkierung (Sentinel-Lymphonodektomie) - OPS 5-401.12

Die zunächst während der Operation durchgeführten Schnellschnitte der entnommenen Lymphknoten ergaben keinen bösartigen Befund. Die entnommenen Lymphknoten wurden an das Pathologische Institut der Klägerin verschickt und dort auf Metastasen untersucht.

Am 15.06.2005 wurde die Versicherte 1 entlassen. Für den 23.06.2005 war der Beginn einer Bestrahlungstherapie geplant.

Ebenfalls unter 15.06.2005 erstellte das Pathologische Institut der Klägerin den histologischen Befundbericht. Daraus ergab sich, dass in einem der entnommenen Sentinel-Lymphknoten eine Mikrometastase gefunden wurde, während der andere Sentinel-Lymphknoten sich als tumorfrei mit isolierten Tumorzellen im axillären Fettgewebe erwiesen hatte. Der Befundbericht ging am 16.06.2005 per Fax und am 17.06.2005 im Original in der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ein.

Die Versicherte 1 wurde daraufhin im Zeitraum vom 27.06.2005 bis zum 02.07.2005 erneut stationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt. Während des Aufenthaltes wurden der Versicherten 1 sechs weitere Lymphknoten operativ aus der linken Axilla entnommen (Prozedur: Regionale Lymp...

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