Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Betreuung psychisch Kranker in einer Einrichtung "Betreutes Wohnen". abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Abgrenzung. geringfügige Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber
Orientierungssatz
1. Die Tätigkeit im Rahmen der einzelfallbezogenen Betreuung von psychisch Kranken mit Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem SGB 12 stellt zwar eine abhängige Beschäftigung dar, die jedoch wegen der geringfügigen Entgelte nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
2. Sozialversicherungspflicht in der Tätigkeit "Betreutes Wohnen" ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil die zu beurteilende Tätigkeit neben einer versicherungspflichtigen (Haupt-)Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ausgeübt wurde (Abweichung von BSG vom 16.02.1983 - 12 RK 26/81 = BSGE 55, 1 = SozR 2200 § 168 Nr 7).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.10.2008 aufgehoben.
Unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2007 wird festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) in der Zeit von September 2006 bis November 2009 in ihrer Tätigkeit im Rahmen des Betreuten Wohnens nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob für eine von der Beigeladenen zu 1) von September 2006 bis November 2009 für den Kläger ausgeübte weitere Tätigkeit mit monatlichen Einnahmen zwischen 25,00 EUR und 498,58 EUR Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (KV/PV/RV/AloV) bestanden hat.
Am 04.10.2006 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer von der Beigeladenen zu 1) für ihn ab dem 01.09.2006 verrichteten Tätigkeit in seiner Einrichtung "Betreutes Wohnen": Die am 00.00.1964 geborene Beigeladene zu 1), die für den Kläger bereits seit dem 09.01.1990 sozialversicherungspflichtig als Verwaltungsangestellte, zum Teil in seiner Einrichtung "Beratungsstelle", zum Teil in der allgemeinen Verwaltung, beschäftigt sei, absolviere seit rund einem Jahr berufsbegleitend ein Studium der Sozialarbeit in den Niederlanden. Zusätzlich zu der seitdem auf 24 Wochenstunden reduzierten sozialversicherungspflichtigen Haupttätigkeit übe sie in unterschiedlichem zeitlichen Umfang ab dem 01.09.2006 eine Einzelfall bezogene Unterstützung für psychisch Kranke aus, die in seiner, des Klägers, Einrichtung "Betreutes Wohnen" untergebracht seien. Es seien insoweit je Betreutem gesonderte Arbeitsverträge zwischen ihm, dem Kläger, und der Beigeladenen zu 1) als sog. arbeitnehmerähnliche Person nach § 12 a Tarifvertragsgesetz (TVG) geschlossen worden. Einen dieser Verträge "über die Übernahme einer eigenverantwortlichen Betreuung im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Vertragsverhältnisses" zwischen dem Kläger, Auftraggeber genannt, und der Beigeladenen zu 1), Auftragnehmerin genannt, vom 13.09.2006 legte der Kläger vor. Die vertragliche Vereinbarung lautet ihrem wesentlichen Inhalt nach wie folgt:
§ 1 Aufgabengebiet
Der Auftragnehmer wird den Auftraggeber bei der Durchführung des betreuten Wohnens für psychisch erkrankte Menschen gemäß § 39 BSHG unterstützen. Er übernimmt die einzelfallbezogene Mitarbeit in der Betreuung von Frau (persönliche Daten der Klientin wurden anonymisiert). Der zeitliche Umfang beträgt wöchentlich 60 Minuten. Inhalt und Umfang dieser Aufgabe besteht in der Durchführung unmittelbarer und mittelbarer Hilfen sowie direkter Leistungen und bemisst sich nach dem von der Hilfeplankonferenz (HPK) beschlossenen Hilfeplan und der vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe dafür festgelegten Stundenzahl. Nach Ablauf der durchgeführten Tätigkeit wird die geleistete Arbeit pro Einsatz auf dem mitzuführenden Quittierungsbeleg von dem Klienten / der Klientin per Unterschrift quittiert (Anlage 2). Die Zeit wird im 10-Minuten-Takt festgehalten.
§ 2 Grundlagen der Zusammenarbeit
Der Auftragnehmer ist bei der Betreuung nicht weisungsgebunden. Er nimmt die von ihm übernommenen Aufgaben in voller Eigenverantwortung wahr. Er stimmt seine Arbeit mit dem Fallverantwortlichen des Klienten/der Klientin ab. Der Auftragnehmer ist in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei und stimmt diese mit dem Klienten/der Klientin ab. Die Betreuungszeiten orientieren sich an den Erfordernissen des Einzelfalles und finden, falls notwendig, auch am Abend und an den Wochenenden statt. Der Auftragnehmer gewährleistet einen kontinuierlichen Informationsaustausch, mindestens alle zwei Wochen, über den Entwicklungstand der übernommenen Betreuung. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, über alle ihm während der Tätigkeit für den Auftraggeber anvertrauten oder sonst bekannt werdenden fremden Geheimnisse, namentlich je...