Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Gemeinschaftspraxis. vertragliche Anforderungen. Rücknahme. Genehmigung bzw Zulassung. Erledigung iS des § 131 Abs 1 S 3 SGG
Orientierungssatz
1. Hat ein Gesellschafter einen dominierenden Einfluss auf die Willensbildung der anderen Gesellschafter, begründet diese Tatsache allein nicht deren persönliche Abhängigkeit.
2. Die Bildung eines eigenen Gesellschafts(Gesamthands-)vermögens ist gesellschaftsrechtlich nicht maßgeblich; zulässig ist auch der Ausschluss von Verlust und Gewinn, wobei der Gewinnanteil in festen monatlichen Zahlungen bestehen kann. Die Geschäftsführung kann einem der Gesellschafter allein übertragen werden.
3. Damit im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit von einer selbstständigen Ausübung in eigener Praxis gesprochen werden kann, muss der jeweilige Arzt die Möglichkeit haben, im eigenen Namen Behandlungsverträge mit Patienten zu schließen, und auf die Praxisgestaltung Einfluss nehmen können, wobei ihm auch das Direktionsrecht gleichberechtigt zustehen muss.
4. Wegen des Statuscharakters einer Gemeinschaftspraxis kommt weder eine rückwirkende Rücknahme der Genehmigung noch eine rückwirkende Entziehung der Zulassung in Betracht.
5. [ 4 ].
Tenor
Auf die Berufungen der Kläger zu 1) bis 3) wird das Urteil des Sozialgerichts Köln abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 24.04.2002 rechtswidrig war. Die Berufung der Klägerin zu 4) wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte 1/12, die Klägerin zu 4) 11/12. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die (rückwirkende) Rücknahme der Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis.
Die Kläger zu 1) bis 3) waren bis zum 30.06.2004 bzw. 30.09.2004 als Ärzte für Neurologie und Psychiatrie bzw. als praktische Ärztin/Psychotherapie in einer Gemeinschaftspraxis in L tätig. Mit Beschluss vom 29.11.1995 hatte der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit der Kläger zu 1) und 2) mit Wirkung vom 01.01.1996 genehmigt. Mit Beschluss vom 18.10.2000 hatte er mit Wirkung vom 01.10.2000 eine gebietsübergreifende Gemeinschaftspraxis der Kläger zu 1) bis 3) genehmigt. Die Klägerin zu 2) ist mit Wirkung vom 30.06.2004 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden, die Klägerin zu 3) mit Wirkung vom 30.09.2000. Am Standort der Praxis bestand daneben mit gemeinsamer Nutzung der Praxisräume eine Gemeinschaftspraxis von sieben Psychologischen Psychotherapeuten.
Die Vorlage des zwischen den Klägern bestehenden Vertrages über die Gemeinschaftspraxis war vom Zulassungsausschuss seinerzeit nicht verlangt worden. Erst im Zusammenhang mit einem früheren Bestreben auf Genehmigung einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis mit den Psychologischen Psychotherapeuten (Verfahren SG Köln, S 19 KA 27/01) erfolgte Ende 2000 die Vorlage eines unter dem 01.12.1998 zwischen dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) geschlossenen Vertrages. In diesem Vertrag wird der Kläger zu 1) als Seniorpartner und die Klägerin zu 2) als Juniorpartner bezeichnet. Nach § 3 war die Bildung eines gemeinsamen Gesellschaftsvermögens nicht vorgesehen. Die Kassenarztpraxis werde ausgeübt in den bestehenden Praxisräumen des Seniorpartners bzw. dessen Praxisorganisation. Nach § 4 Abs. 2 war der Kläger zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen. Soweit berufsrechtliche Vorbehalte bestünden, sei der jeweilige Gesellschafter allein zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt und verpflichtet; dies gelte insbesondere im Bereich der Patientenbehandlung und Versorgung. Gemäß § 7 erhielt jeder Gesellschafter als Anteile am Ergebnis der Gesellschaft den in der Beitrittserklärung vereinbarten Anteil an den von ihm erwirtschafteten Honoraren (zuletzt 65%). Darüber hinaus nahmen die Gesellschafter an Gewinne oder Verlust der Gesellschaft nicht teil. Das die Anteile übersteigende Honorar wurden unter Verzicht auf eine Abrechnung als Kostenanteil der Praxisorganisation übergeben; "dies gegen die entsprechende Berechtigung, die räumlichen, personellen und technischen Möglichkeiten zu nutzen" (§ 7 Abs. 4 des Vertrages). Gemäß § 8 lit. a Abs. 1 erbrachten die Gesellschafter ihre Leistungen gegenüber den Patienten eigenverantwortlich und selbständig. Gemäß Abs. 2 a.a.O. waren sie durch den organisatorischen Rahmen der Praxis entsprechend dem jeweiligen Organisations-, Arbeits- und Ablaufplan gebunden. Leistungen im Rahmen der Gesellschaft waren für die Gesellschaft abzurechnen und auf ein von dem geschäftsführenden Gesellschafter zu bestimmendes Konto einzuzahlen. Gemäß § 8 lit. d war jeder Gesellschafter verpflichtet, bei Bedarf und Anforderung der Geschäftsführung einen Assistenten nach berufsrechtlichen Grundsätzen zu halten. Die Kosten für diese Assistenten gingen zu Lasten der Gesellschaft; die von und über den Assistenten erwirtschafteten Erträge galten ...