rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Köln (Entscheidung vom 17.06.1996; Aktenzeichen S 19 Kr 141/95) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Köln vom 17. Juni 1996 wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die klagende P GmbH wendet sich gegen die Festsetzung von Festbeträgen (§ 35 Abs 3 des Sozialgesetzbuches (SGB) V) durch die beklagten Spitzenverbände der Krankenkassen (VBe). Mit Datum des 29.5.1995 setzten die VBe für die Zeit ab Juli 1995 Festbeträge für Ovulationshemmer fest. Die Festsetzung wurde im Bundesanzeiger (BAnz) Nr 103 vom 2.6.1995 (S 6106) bekanntgemacht. Ihr waren vorausgegangen: eine Anhörung der Klägerin und ein Beschluss des beigeladenen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 14.2.1995. Dieser hatte Ovulationshemmer zu einer "Festbetragsgruppe für Arzneimittel mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung, insbesondere Arzneimittelkombinationen" mit Bezug auf § 35 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V zusammengefaßt und Vergleichsgrößen (Äquivalenzfaktoren) für die Feststellung der Festbeträge gebildet (Arzneimittel-Richtlinien v. 14.2.1995 in BAnz Nr 86 v. 6.5.1995, S 5128 ff).
Die Klägerin hat am 3.7.1995 gegen die Festsetzung der Festbeträge Klage erhoben. Unter Vorlage von u.a. Gutachten/Aufsätzen von Kirchner (1990), Gitter (1993 im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft forschender Arzneimittelhersteller) und Schwerdtfeger (1995) hat sie geltend gemacht: es würde für sie einen Umsatzverlust von ca. 17 Mio. DM im auf die Festsetzung folgenden Geschäftsjahr bedeuten, wenn sie die Preise für von ihr angebotene Ovulationshemmer auf das Festbetragsniveau senke; in der Festbetragsgruppe 3 mit den höchsten Umsatzwerten werde sie nur noch 58 vH des Umsatzes erzielen können; die Festsetzung verstoße gegen § 35 SGB V, gegen das Grundgesetz (GG) sowie nationales und europäisches Wettbewerbsrecht. Sie, die Klägerin, schließe sich der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Vorlagebeschluß vom 14.6.1995 an (3 RK 20/94 = NZS 95,502 = SozSich 95,274 = WzS 95,314 - BVerfG 1 BvL 28 - 30/95), daß die Bestimmungen über die Festbetragsfestsetzung als formeller Rechtssetzungsakt nicht ordnungsgemäß zustandegekommen seien. Verletzt seien auch
- Art 3,12 und 14 GG
- der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
- Art 30, 85 und 86 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGV)
- die Transparenz-Richtlinie 89/105/EWG vom 11.2.1989 (AB Nr L 40 S. 8 ff).
Die Zusammenfassung verschiedener Wirkstoffe zu einer Festbetragsgruppe verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, daß wesentlich Ungleiches nicht gleich behandelt werden dürfe; wobei hier strengere Maßstäbe gälten, weil zugleich andere grundgesetzlich verbürgte Positionen berührt seien (Hinw. auf BVerfGE 74,9,24 pp); auch bei Fixierung der Festbeträge sei gegen Art 3 GG verstoßen; es fehle eine hinreichende Differenzierung innerhalb der Festbetragsgruppe 3; es sei nicht beachtet, daß dreiphasige Kontrazeptiva gegenüber einphasigen Mikropillen ein eigenes therapeutisches Wirkprofil hätten (Hinw. auf u.a. ein Gutachten von Prof. Schindler/Dr. Winkler vom 21.12.1994, die Schrift "New Considerations in oral Contraception" ; "Monthly Index of Medical Specialties", Oktober 1994 und ATC Classification Index Januar 1993). Art 12 GG sei verletzt in Form einer nachhaltigen, faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung (Hinw. auf BVerwGE 71,183,191); es liege eine Regelung mit "objektiv berufsregelnder Tendenz" iS von Art 12 Abs 1 GG vor, weil der Staat dirigistisch regelnd in das Umfeld eingreife; durch Steuerung der Nachfrage der Patienten werde die Therapiefreiheit des Arztes eingeengt; es werde auch in die Berufsausübungsfreiheit des Arzneimittelherstellers eingegriffen, weil die Festbetragsfestsetzung im Wege mittelbarer Steuerung des Preiswettbewerbs (Hinw. auf BVerwGE 81,183,191) die freie unternehmerische Betätigung einschränke; der Eingriff sei nicht zulässig, weil nicht geeignet, das gesetzgeberische Ziel der Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu erfüllen; es treffe den "Berufstätigen" übermäßig und unzumutbar (Hinw. auf BVerfGE 85,248,259). Art 14 GG sei verletzt, weil bei den dreiphasigen Mitteln der patentgeschützte Wirkstoff Dienogest einbezogen sei. Wenn auch streitige die Festbetragsfestsetzung eine unmittelbare Festsetzung der Verkaufspreise nicht beinhalte, handle es sich dabei doch um Maßnahmen, die wie nach Art 30 EGV verbotene mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen wirkten, und um nach Art 85 EGV verbotene "Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet seien und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung...