Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit der Krankenkasse für Frage der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Feststellung des Bestehens einer Versicherungspflicht

 

Orientierungssatz

1. Die Krankenkasse ist für die Frage der Sozialversicherungspflichtigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses zuständig.

2. Eine Beschäftigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.

3. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.

4. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

5. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Voraussetzungen überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

6. Das Gesamtbild bestimmt sich grundsätzlich nach den tatsächlichen Verhältnissen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.08.2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der Zeit vom 01.05.1990 bis 31.12.1996.

Der 1960 geborene Kläger absolvierte nach Abschluss der Realschulausbildung eine Lehre als KFZ-Mechaniker. Nach anschließender Ableistung des Wehrdienstes war er in einer Lackiererei beschäftigt. Ab 1985 war er bei der Beigeladenen zu 3) zunächst als Fahrer tätig. Deren Rechtsvorgängerin, die ursprüngliche Einzelfirma L, war 1971 von I L gegründet worden; seit 1982 wurde die Firma in der Form einer GmbH betrieben. Gesellschafter war seinerzeit I L. Gegenstand des Unternehmens war Kanalreinigung, Containerdienst und Grubenentleerung. In seiner Funktion als Fahrer hat der Kläger zunächst Kanalreinigungsfahrzeuge gefahren und Container transportiert; teilweise hat er auch Reparaturen an den Fahrzeugen durchgeführt. Er erhielt ein übliches Fahrergehalt. 1986 heiratete der Kläger die Tochter H des I L, die nach Abschluss der kaufmännischen Lehre bereits seit 1980 als Industriekauffrau ebenfalls in dem Betrieb der Beigeladenen zu 3) tätig war. I L war bis zu seinem Tod am 18.04.1990 aktiv in der Firma tätig, hat aber nach Angaben des Klägers bereits ca. ein Jahr zuvor damit begonnen, diesen mit weitergehenden Aufgaben wie z.B. Gesprächen mit Kommunen und Auftraggebern zu betrauen. Nach dem Tod von I L führten dessen Ehefrau und die Ehefrau des Klägers den Betrieb der Beigeladenen zu 3), "wie im Vertrag und in der Erbfolge vorgesehen", mit 50 zu 50 Gesellschaftsanteilen fort.

Der Kläger wurde mit Wirkung zum 01.05.1990 von der Beigeladenen zu 3) als Geschäftsführer angestellt. Sein monatliches Festgehalt betrug 6.000,00 DM. Zusätzlich wurde eine vom Gesellschaftsgewinn abhängige Tantieme vereinbart. Das Arbeitsentgelt des Klägers wurde regelmäßig auf ein privates Girokonto überwiesen. Von dem Arbeitsentgelt wurden Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben entrichtet. Dies wurde als Betriebsausgabe gebucht.

Unter dem 09.05.2006 begehrte der Kläger die Feststellung seines sozialversicherungspflichtigen Status u.a. unter Hinweis darauf, ab 01.05.1990 nicht wie ein fremder Arbeitnehmer einem Direktionsrecht der Gesellschaft zu unterliegen und seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten zu können. Mit Bescheid vom 22.03.2007 stellte die Beklagte, bei der der Kläger in der Zeit vom 01.03.1986 bis 31.12.1996 als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer gemeldet gewesen war, fest, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 01.05.1990 bis zum 31.12.1996 als Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 3) der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterlegen war.

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, bei der Beigeladenen zu 3) habe es sich um einen Kanalreinigungsbetrieb mit Containerdienst und Grubenentleerung gehandelt, der durch wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel sowie erhebliche Änderungen der Rechtslage in seiner bisherigen Form nicht mehr hätte weiterbestehen können. Mit dem Versterben von I L hätten dessen Witwe und seine, des Klägers Ehefrau, die Beigeladene zu 3), jeweils zur Hälfte geerbt. Beide seien jedoch fachlich und persönlich zu keiner Zeit in der Lage gewesen, die Beigeladene zu 3) fortzuführen. Er sei deshalb, wie auch pro Forma seine Ehefrau, zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch befreiten Geschäftsführer bestellt worden. Zwischen allen Beteiligten sei unstreitig gewesen, dass die tatsächliche Führung der Beigeladenen zu 3) allein bei ihm liege. Seine Schwiegermutter und seine Ehefrau bedienten lediglich das Telefon, erle...

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