Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Finanzberater bzw. Finanzplaner
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitszeit und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Unterliegt ein Finanzberater bzw. Finanzplaner dem Weisungsrecht seines Auftraggebers, ist er in dessen betriebliche Organisation eingegliedert und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Dem widerspricht nicht das Fehlen einer vereinbarten Arbeitszeit, einer fehlenden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und eines fehlenden Anspruchs auf bezahlten Urlaub.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 15.05.2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens gem. § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH, Gesellschaftsvertrag v. 21.9.2009, HRB 00, Amtsgericht E). Ihr Unternehmensgegenstand ist die Erbringung verschiedener Finanzdienstleistungen.
Im Juni 2014 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status in seiner Tätigkeit für die Klägerin vom 1.8.2007 bis zum 31.5.2011. In diesem Zeitraum habe er ca. 30% der regelmäßigen Arbeitszeit für den Vertrieb von hauseigenen Finanzprodukten an bestehende Privatkunden und Interessenten der Klägerin aufgewendet. Beinhaltet gewesen seien die Aufbereitung von Vertriebsunterlagen, die Organisation und Koordination von Mailings im Team, die Kundenberatung, das Herbeiführen von Abschlüssen und der Verkauf von Folgeprodukten. Zu seinen Aufgaben habe ferner das Datenmanagement sowie die Pflege und Klassifizierung der Adressdaten in der internen Kundenverwaltungssoftware gehört (ca. 10% der Arbeitszeit). Situativ seien von ihm zwischen März 2008 und Mai 2011 insgesamt fünf private Finanzgutachten für Kunden erstellt worden (ca. 5% der Arbeitszeit). Zu seinen weiteren Aufgaben habe es zwischen August 2007 und August 2008 gehört, Rahmenbedingungen für die Auflegung von zwei hauseigenen Finanzprodukten zu klären und entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen (ca. 30% der regelmäßigen Arbeitszeit). Auch habe er zwischen Februar 2008 und Mai 2011 die monatlichen Reports für die hauseigenen Investmentfonds (ca. 20% der Arbeitszeit) und zwischen Januar 2009 und Mai 2011 die Jahres- und Halbjahresberichte hierfür nach festgelegten Tätigkeitsabläufen erstellt (ca. 3% der Arbeitszeit). Zwischen April 2009 und Oktober 2010 seien ca. 10% der regelmäßigen Arbeitszeit von ihm für den Vertrieb von hauseigenen Finanzprodukten an institutionelle Kunden aufgewendet worden. Schließlich habe er von März 2009 bis Mai 2011 die Internetseite des klägerischen Unternehmens überarbeitet und gepflegt (ca. 20% der Arbeitszeit). Die Auftragsausführung sei über eine interne Kundenverwaltungssoftware sowie in wöchentlichen Besprechungen kontrolliert und die Art und Weise der Ausführungen teilweise explizit vorgegeben worden (z.B. Telefonzeiten und Argumentationshilfen). Ursprünglich habe er mit der Klägerin am 07.05.2007 einen (von ihm beigefügten) schriftlichen Arbeitsvertrag als Vertriebsleiter mit Arbeitsbeginn am 1.8.2007 geschlossen. In Anlehnung hieran seien nach dessen Aufhebung am 3.8.2007 mündlich eine Regelarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche mit einer Kernarbeitszeit von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr sowie teilweise auch eine Anwesenheitspflicht bei internen und externen Kundenveranstaltungen vereinbart worden. Ein bis zwei Tage pro Woche habe er seine Tätigkeit am Betriebssitz der Klägerin verrichtet, ansonsten im Home Office oder vereinzelt in Außenterminen. Eigener Kapitaleinsatz sei nicht notwendig gewesen, da ihm die Klägerin Arbeitsgeräte wie Notebook, Drucker und Verbrauchsmaterialien gestellt und die Kosten für die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen und Literatur übernommen habe. Auch seien ihm Visitenkarten auf den Namen der Klägerin ausgestellt worden und die Kommunikation ausschließlich über seine dortige persönliche E-Mail-Adresse erfolgt.
Die Klägerin entgegnete de...