Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Kraftfahrer
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein Kraftfahrer in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert und an dessen Weisungen gebunden, hat er seine Arbeitsleistung regelmäßig persönlich zu erbringen, hat er nicht das Recht, Touren abzulehnen und trägt er kein für eine selbständige Tätigkeit sprechendes Unternehmerrisiko, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Demgegenüber rechtfertigt das Fehlen von Regelungen zu Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall allein nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.10.2013 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 5.4.2016 wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das gesamte Verfahren auf 12.600,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), ob der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Kraftfahrer für die Klägerin in den Zeiträumen vom 21.11.2005 bis zum 27.1.2006 und vom 22.3.2006 bis zum 30.9.2006 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung und in dem Zeitraum vom 1.10.2006 bis zum 2.7.2010 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung unterlag.
Der am 00.00.1941 geborene und am 4.6.2013 verstorbene Beigeladene zu 1) bezog vom 1.10.2006 bis 30.6.2013 eine Vollrente wegen Alters. Er hatte unter dem 18.2.1998 als Gewerbe den Einzelhandel mit Elektroartikeln angemeldet (Gewerbe-Anmeldung bei der Stadt X, Reg. Nr.: 000) und unter dem 2.7.2010 aus Altersgründen das Gewerbe mit den Tätigkeiten "Einzelhandel mit Elektroartikeln, Einzelhandel mit Sanitärbedarf, Kraftfahrer ohne eigenes Kfz, Erstellen von Webseiten, Webdesign, Kundenbetreuung" abgemeldet (Gewerbe-Abmeldung bei der Stadt X, Reg.Nr.: 000).
Der Beigeladene zu 1) war als Kraftfahrer für die Klägerin, einem Speditionsunternehmen, in den Zeiträumen vom 21.11.2005 bis 27.1.2006 und vom 22.3.2006 bis 2.7.2010 tätig. Ein schriftlicher Vertrag zwischen Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) existierte nicht.
Der Beigeladene zu 1) stellte am 11.3.2011 in Bezug auf seine Tätigkeit als Kraftfahrer für die Klägerin den Antrag nach § 7a SGB IV mit dem Begehren, festzustellen, dass eine Beschäftigung vorliegt. Er überreichte die Anmeldung des Gewerbes "Einzelhandel mit Elektroartikeln" v. 18.2.1998 und die Abmeldung des Gewerbes "Einzelhandel mit Elektroartikeln, Einzelhandel mit Sanitärbedarf, Kraftfahrer ohne eigens Kfz, Erstellen von Webseiten, Webdesign, Kundenbetreuung" vom 2.7.2010. Zur Begründung trug er vor: Nachdem der Umsatz in seiner selbständigen Tätigkeit immer weniger geworden sei, habe er ab 21.11.2005 nur noch als Kraftfahrer für die Klägerin gearbeitet. Er habe nur nachts gearbeitet und ausschließlich einen LKW der Klägerin gefahren. Diese Tätigkeit habe er ohne Unterbrechung von November 2005 bis Juni 2010 ausgeübt. Für jede Woche habe er eine Rechnung gestellt. Andere Einnahmen habe er während dieser Zeit nicht gehabt. Sozialabgaben seien nicht abgeführt worden. Die Frage "Sind Sie neben dem zu beurteilenden Vertragsverhältnis selbständig tätig und stellt das Arbeitseinkommen aus dieser Tätigkeit den überwiegenden Teil Ihres Gesamteinkommens dar?" verneinte der Beigeladene zu 1). Für andere Auftraggeber habe er nicht gearbeitet. Nach einem kurzen Einstellungsgespräch mit dem "Chef" I I sei er, so wie andere Kraftfahrer auch, für eine feste Tour eingeteilt worden. Herr I habe verlangt, dass er die Fahrerkarte und ADR-Bescheinigung beschaffe. Er habe verlangt, dass er für jede Woche eine Rechnung schreibe und die Tagesberichte (Stundenzettel) beilege. Die Touren habe der andere Chef B O eingeteilt. Er sei ausschließlich nachts gefahren, immer die gleiche Tour. Sämtliche Arbeitsmittel seien von der Klägerin gestellt worden, auch die Fahrzeuge, selbst die Arbeitshandschuhe. Mit Mitarbeitern der Klägerin habe er nicht...