Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. künstliche Befruchtung. ICSI-Behandlung. neuer Behandlungsversuch. Kryo-Retransfer
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff der Maßnahme iS von § 27a Abs 1 Nr 2 SGB 5.
2. Eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung erschöpft sich in dem einmaligen Transfer befruchteter Eizellen.
3. Sind mehr Eizellen entnommen und befruchtet worden, als bei einem Versuch benötigt wurden, ist der spätere Transfer dieser Eizellen eine eigenständige neue Maßnahme der künstlichen Befruchtung.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für einen Retransfer kryokonservierter befruchteter Eizellen.
Die Beklagte übernahm bei der 1963 geborenen Klägerin dreimal die Kosten einer intracytoplasmatischen Spermainjektion (ICSI) im Rahmen einer als Sachleistung erbrachten In-vitro-Fertilisation (IVF). Nachdem die Behandlungen erfolglos geblieben waren, sagte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.1998 eine erneute Kostenübernahme, begrenzt auf 2.120,20 DM, für eine weitere ICSI/IVF zu. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass damit ihre Leistungspflicht als gesetzliche Krankenkasse erschöpft sei. Die Behandlung erfolgte am 18.1.1999, wobei drei der bei dieser Maßnahme gewonnenen und befruchteten Eizellen retransferiert wurden. Die übrigen befruchteten Eizellen wurden mit Zustimmung der Klägerin und ihres Ehemannes auf ihre Kosten kryokonserviert.
Nachdem auch durch diese Behandlung eine Schwangerschaft nicht zustande gekommen war, wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 22.4.1999 an die Beklagte und bat um Übernahme der Kosten eines Kryo-Retransfers. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 26.4.1999 ab, der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.7.1999 zurückgewiesen.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Mainz (SG) mit Gerichtsbescheid vom 25.8.2000 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin schon deshalb keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten des Retransfers habe, weil es an der von § 27a Abs 1 Ziffer 2 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB V) geforderten hinreichenden Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft fehle, nachdem viermalige Versuche ohne Erfolg geblieben seien. Nach Ziffer 10.5 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in der Fassung vom 1.10.1997 seien Maßnahmen im Rahmen einer ICSI-Behandlung seit 1.1.1998 von der vertragsärztlichen Versorgung ausgenommen. Diese Richtlinien seien hier anzuwenden, da bei der vorliegenden Anfechtungs- und Leistungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheids abzustellen sei. Dass die Beklagten dennoch die Kosten des 4. Behandlungsversuches übernommen habe, sei als Akt der Kulanz zu werten, jedoch nicht als Erfüllung eines gesetzlich bestehenden Anspruchs. Einen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die mit Bescheid vom November 1998 erklärte Kostenübernahme auch die Kosten des Retransfers weiterer befruchteter Eizellen umfasse, habe die Beklagte nicht gesetzt, da dieser Bescheid die Kostenübernahme auf 2.120,20 DM begrenzt habe. In der Rechtsmittelbelehrung heißt es, der Gerichtsbescheid könne mit der Berufung angefochten werden.
Am 29.1.2001 erfolgte der Retransfer der Eizellen, eine Schwangerschaft trat nicht ein. Die Kosten des Retransfers betrugen 152,19 DM (Rechnung der Dres. ... vom 1.2.2001) und für Medikamente 780,45 DM.
Die gegen den Gerichtsbescheid eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) mit Urteil vom 1.3.2001 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung der Klägerin sei unstatthaft, da der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht werde und eine Zulassung der Berufung nicht ausgesprochen sei. Die Klägerin begehre eine Erstattung der Kosten des Retransfers der Eizellen, die einschließlich der hierbei notwendigen Medikamente 932,64 DM betragen habe. Die Berufung sei weder im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts noch auf Beschwerde durch Beschluss des LSG zugelassen worden. Die bei zulässiger Berufung übliche Rechtsmittelbelehrung genüge nicht den Anforderungen an eine positive Entscheidung über die Zulassung der Berufung.
Der mit Schreiben vom 22.2.2001 vorsorglich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde hat das SG nicht abgeholfen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung sei unzulässig, da das Berufungsgericht bereits abschließend über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen den Gerichtsbescheid entschieden habe.
Die Klägerin trägt vor, ihre Nichtzulassungsbeschwerde sei entgegen der Auffassung des SG zulässig. Sie sei auch begründet, denn die Entscheidung des SG weiche von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab. Die angefochtene Entscheidung beruhe auch auf dieser Divergenz, denn es bestehe die Möglichkeit, dass das Sozialgericht zu einer für sie günstigeren Entscheidung gelangt wäre, wenn es den Rechtssatz des BSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte. Ausgehend von einer...