Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beitragssatz bei Versicherten mit Teilkostenerstattung. Satzungsregelung. Beachtung des Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine Satzung der Krankenkasse, welche bei Mitgliedern mit Teilkostenerstattung den gleichen Beitragstarif für Beihilfeberechtigte nach einem Beihilfesatz von 70 vH wie für Beihilfeberechtigte mit einem Beihilfesatz von 50 vH vorsieht, ohne dass ein höherer Leistungsanspruch besteht, ist nichtig.
Orientierungssatz
Die Vorgabe "entsprechend" in dem ua für die Gruppe der Mitglieder mit Teilkostenerstattung nach § 14 SGB 5 geltenden § 243 Abs 1 SGB 5 bedeutet, dass dem Satzungsgeber ein Spielraum eingeräumt wird, der allerdings nur innerhalb der Grenzen des sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebenden Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit besteht.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des SG Koblenz vom 20.11.2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2005 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu einer Beitragsfestsetzung ausgehend von dem halben allgemeinen Beitragssatz ohne Berücksichtigung des konkreten Beihilfesatzes nicht berechtigt ist.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1944 geborene Kläger, früher DO-Angestellter beim AOK-Bundesverband, ist freiwilliges Mitglied der Beklagten mit Anspruch auf Teilkostenerstattung gemäß § 14 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Er hat als Versorgungsempfänger Anspruch auf Beihilfe in Höhe von 70 vH der beihilfefähigen Kosten. Mit Bescheid vom 23.3.2005 stellte die Beklagte wegen seiner Pensionierung den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag unter Berücksichtigung der Änderungen durch das zum 1.1.2004 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) neu fest. Sie führte aus, der Krankenversicherungsbeitrag von Versorgungsbezügen bei gewählter Teilkostenerstattung betrage 6,95 vH (Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes von Mitgliedern mit Anspruch auf Krankengeld von 13,9 vH). Der neue Monatsbeitrag belaufe sich für das Jahr 2004 auf 272,02 € (Krankenversicherung 242,38 €; Pflegeversicherung 29,64 €) und ab 1.1.2005 auf 274,95 € (Krankenversicherung 244,99 €; Pflegeversicherung 29,96 €). Für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 28.2.2005 forderte die Beklagte einen Beitrag von 293,34 € nach. Diesem Bescheid lag § 18 der Satzung der Beklagten zugrunde. Darin heißt es:
...
(2) Für Mitglieder, die bei Arbeitsunfähigkeit für mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, gilt der allgemeine Beitragssatz; er beträgt 13,9 vH.
…
(4) Für Mitglieder, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, gilt ein ermäßigter Beitragssatz; er beträgt 12,7 vH.
...
(6) Bei freiwilligen Mitgliedern gilt für Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und für Versorgungsbezüge der Beitragssatz nach Abs 2...
...
(8) Für Mitglieder, die nach § 14 Abs 2 die Teilkostenerstattung gewählt haben, wird der Beitragssatz auf 50 vH des Beitragssatzes abgesenkt, der für freiwillig Versicherte ohne Anspruch auf Krankengeld gilt (vgl Absatz 4). Absatz 6 gilt mit der Maßgabe der Absenkung des Beitragssatzes nach Absatz 2 auf 50 vH.
Zur Teilkostenerstattung ist in § 16 Abs 1 der Satzung geregelt:
(1)... (DO-Angestellte), erhalten, soweit sie vom Wahlrecht des § 14 Abs 2 SGB V Gebrauch gemacht haben, Teilkostenerstattung. Sie wird für die Aufwendungen gewährt, denen Leistungen zugrunde liegen, die im Sozialgesetzbuch dem Grunde nach vorgesehen sind.
…
(3) Teilkostenerstattung wird in Höhe des Vomhundertsatzes gewährt, der den nicht durch die Beihilfe gedeckten Aufwendungen des Erstattungsberechtigten im Verhältnis zu den vollen Kassenleistungen entspricht. Maßgebend für die Feststellung des Erstattungsbetrages ist die Kassenleistung. Die gesetzlichen Zuzahlungen sind in voller Höhe zu leisten.
(4) Die Kostenerstattung und die ohne Berücksichtigung des Teilkostenerstattungsanspruchs zustehende Beihilfe dürfen die beihilfefähigen Gesamtaufwendungen nicht überschreiten.
Nach § 16 Abs 6 der Satzung gilt Abs 3 auch für im Ruhestand befindliche ehemalige DO-Angestellte sowie für Hinterbliebene von DO-Angestellten.
Zur Begründung seines gegen die Beitragserhöhung eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend: Eine Satzungsregelung, nach der bei freiwillig Versicherten mit Anspruch auf Teilkostenerstattung die Beiträge für Versorgungsbezüge ausgehend von 50 vH des allgemeinen Beitragssatzes bemessen werden, sei nicht zulässig. Sie verstoße zu seinen Lasten gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG), weil die Beklagte im Hinblick auf die Erhöhung seines Beihilfesatzes wegen seiner Pensionierung im Verhältnis zu noch im Dienst befindlichen DO-Angestellten verringerte Leistungsaufwendungen habe.
Durch Widerspru...