Entscheidungsstichwort (Thema)

Angelegenheiten nach dem SGB XII (SO). Zur Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin A… G… als Verfahrensbevollmächtigte gewährt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller macht im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens die vorläufige Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - SGB IX) geltend.

Der am 2. August 1989 geborene Antragsteller absolvierte nach Erwerb des Hauptschulabschlusses an einer Förderschule für Lernbehinderte eine rehabilitative Ausbildung zum Beikoch. Seitdem bezieht der Antragsteller vom Jobcenter Salzlandkreis Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II). Seit März 2014 steht er unter Betreuung.

Der Antragsteller leidet nach einem Kindheitsunfall an einer ausgeprägten Gesichtsanomalie mit Verlust des rechten Auges. Zudem leidet er an einer leichten geistigen Behinderung und einer Drogenabhängigkeit. Bei ihm ist seit dem 1. November 2011 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt, wobei als Funktionsbeeinträchtigung (nur) die operierte Gesichtsstörung rechts berücksichtigt ist (Feststellungsbescheid des Landesverwaltungsamts vom 29. März 2012).

Am 31. Januar 2017 beantragte der Antragsteller durch seinen Betreuer Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets. Er machte Leistungen aus den Leistungsbereichen medizinische Rehabilitation (Organisation und Begleitung von Arztkontakten, Anleitung zur gesunden Lebensführung und Entgiftung/Langzeittherapie Cannabis), Teilhabe am Arbeitsleben (ggf. Eingliederung in den Arbeitsmarkt) und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (Hilfe bei der Erstellung/Pflege von Persönlichen Beziehungen und ggf. Eingliederung in gemeinschaftliche Aktivitäten) sowie ergänzende Leistungen (Hilfe bei der Führung des Haushalts, Erstellen von Haushaltsplänen, Hilfen beim Einkauf) geltend. Als mögliche beteiligte Leistungsträger gab er die Bundesagentur für Arbeit sowie die Sozialhilfe an. Er beantrage die Bewilligung von Geldleistungen in Form des Persönlichen Budgets.

In der Zeit vom 8. bis zum 28. März 2017 befand sich der Antragsteller zur stationären qualifizierten Entgiftungsbehandlung bei bekannter THC- und Amphetaminabhängigkeit in der S. gGmbH, Fachklinikum B. Im Entlassungsbericht vom 7. April 2017 sind folgende Diagnosen genannt:

Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide: Abhängigkeits- und Entzugssyndrom,

Psychische und Verhaltensstörungen durch andere Stimulanzien, einschließlich Koffein: Abhängigkeitssyndrom,

Neurofibromatose.

Der Antragsteller habe angegeben, seit ca. neun Jahren täglich Cannabis und seit ca. vier Jahren Crystal zu konsumieren. Er habe bislang viermal stationär entgiftet (zuletzt im Mai 2016). Eine Langzeittherapie in S… habe er 2014 vorzeitig abgebrochen. Der psychopathologische Befund wird im Wesentlichen als unauffällig beschrieben. Aufmerksamkeits-, Konzentrationsvermögen und kognitive Funktionen erschienen regelrecht. Bei formalem Gedankengang habe kein Hinweis auf inhaltliche Denkstörungen bestanden. Im Aufnahmegespräch sei der Antragsteller freundlich und kontaktbereit, absprachefähig sowie krankheitseinsichtig gewesen. Es habe kein Anhalt für eine akute Eigen- bzw. Fremdgefährdung bestanden. Unter der medikamentenfreien Drogenentgiftung habe beim Antragsteller eine mäßiggradige vegetative Entzugssymptomatik unter stabilen Kreislaufverhältnissen beobachtet werden können. Klinisch hätten sich keine Hinweise für das Vorliegen einer weiteren psychischen Erkrankung gezeigt. Der Antragsteller sei in das suchtspezifische Therapieprogramm integriert worden und habe dabei zu einer längerfristigen Abstinenz motiviert mitgearbeitet.

Die Sachbearbeiterin des örtlichen Sozialhilfeträgers ermittelte am 16. März 2017 im Rahmen eines Hilfeplangesprächs gemeinsam mit dem Betreuer und dem Antragsteller in den Räumlichkeiten der S. gGmbH nach der Anlage A zum Rahmenvertrag nach § 79 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung) einen Bedarf von 84 Punkten. Ihr gegenüber habe sich ein abstinenzwilliger junger Mann gezeigt, der die stationäre Aufnahme in die Klinik aufgrund seiner Suchtproblematik selbst initiiert habe.

In der amtsärztlichen Stellungnahme vom 26. April 2017 diagnostizierte der Facharzt für öffentliche Gesundheit und Kinderheilkunde Med. Dir. Dr. G1. beim Antragsteller eine leichte geistige...

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